Inflation entsteht, wenn eine sehr grosse Nachfrage auf ein knappes Angebot trifft. Dies könnte nach der Pandemie passieren, wenn die Milliarden-Hilfspakete greifen und die Menschen wieder fleissig konsumieren. Wirtschaftsprofessorin Sarah M. Lein von der Universität Basel erklärt und relativiert.
SRF News: Teilen Sie die Angst vor einer Inflation?
Sarah M. Lein: Einige Kommentatoren befürchten, dass sich die Inflation temporär erhöhen könnte. Gerade die US-Wirtschaft wird wahrscheinlich schneller öffnen, weil die Impfkampagne schneller vorangeht als erwartet. Viele werden beim Konsum nachholen - indem sie etwa dreimal statt nur einmal in die Ferien gehen. Das kann zu Engpässen bei Dienstleistungen und Preisanstiegen führen.
Welche Rolle spielen die staatlichen Hilfspakete?
Es gibt zwei Effekte, die im nächsten Jahr zu einem deutlicheren Nachfrageschub und etwas höheren Preisen führen: Zum einen hat der besserverdienende Bevölkerungsteil in der Krise sehr viel gespart. Zum anderen könnte ein Teil der grossen Hilfspakete in den Konsum fliessen.
Werden auch die Löhne steigen?
Die Löhne sind oft eher an die erwartete Inflation gekoppelt und nicht nur eine Kompensation für vergangene Teuerung. So ist vorstellbar, dass die Löhne in einem Jahr etwas mehr steigen werden. Die Erwartungen an die Inflation in den nächsten Jahren dürften aber relativ tief sein.
Wann und warum werden die Preisanstiege vorbei sein?
Ein temporärer Nachfrageschub wirkt sich auch temporär auf die Preise aus. Die Wachstumsrate geht einmal nach oben, und selbst wenn dieses Preisniveau dann höher, aber konstant bleibt, kommt die Inflationsrate wieder zurück. Die mittelfristige Inflationsrate wird stark von den Erwartungen bestimmt. Hier regeln die Zentralbanken mit ihren Zielgrössen die mittelfristige Inflation. Sie haben in den letzten Jahrzehnten einen sehr guten Job gemacht.
Die Notenbanken fluteten die Märkte mit Geld, ohne dass die Inflationsrate stieg. Können die Notenbanken die Preise überhaupt noch steuern?
Im letzten Jahrzehnt waren die Inflationsraten tatsächlich eher am unteren Ende dessen, was sich die Zentralbanken wünschen. Die Zentralbank der USA änderte denn auch die Strategie, indem sie statt einer künftigen Inflationsrate von zwei Prozent eine solche von durchschnittlich zwei Prozent über mehrere Jahre hinweg anstrebte. Wenn die Inflation also einmal zu tief war, liess man sie auch wieder höher werden, um den Schnitt zu erreichen.
Könnte es sein, dass es in den nächsten Jahren fünf Prozent Inflation gibt und die US-Zentralbank das toleriert?
Ja, aber auch das würde geschehen, um im Schnitt wieder auf zwei Prozent zu kommen. Wenn der Schnitt über mehrere Jahre zu hoch würde, könnte die Zentralbank etwa die Zinsen anheben oder die quantitativen Lockerungsprogramme zurücknehmen. Gerade die Schweiz hatte eine sehr gute Performance in sehr tiefen Inflationsraten. Es wäre also glaubwürdig, wenn die SNB zu hohen Inflationsraten entgegentreten würde.
Würden höhere Zinsen nicht die Wirtschaft abwürgen?
Es kommt auf die Höhe der Inflationsraten an. Wenn sie nicht gerade zehn und mehr Prozent wären, müsste man die Zinsen nicht allzu stark anheben. Im Moment sind wir noch bei Negativzinsen. Gewisse Bereiche wären wahrscheinlich nicht unglücklich, wenn sich eine gewisse Normalisierung einstellen würde.
Das Gespräch führte Simone Hulliger.