Das Wichtigste in Kürze
- Der Lohnstreit bei Air France ist eskalier und hat bis jetzt schon mehr gekostet, als die Angestellten verlangen.
- Schaden nimmt nicht nur der Ruf der Airline, auch der ganze Konzern Air France-KLM ist betroffen.
- Die kleinere KLM fliegt zwei Drittel des Gewinns ein, während Air France auf Kurz- und Mittelstrecken Verluste macht.
Der seit Monaten andauernde Lohnstreit hat das Luftfahrtunternehmen inzwischen schon mehr gekostet, als die Angestellten fordern: An den 15 Streik-Tagen wurden fast 400 Millionen Euro vernichtet.
Die Gewerkschaften fordern 5,1 Prozent mehr Lohn. Keine abwegige Forderung für den Aviatik-Experten Yann Cochennec: «Das Unternehmen ist seit 2011 auf einem harten Sparkurs. Die Gehälter wurden damals eingefroren, man hatte keine andere Wahl. Also ist es nur logisch, auch menschlich, dass man jetzt, wo es dem Unternehmen besser geht, etwas zurückerhalten will für die Anstrengungen während der letzten sechs, sieben Jahre.»
KLM sorgt für den Konzerngewinn
Doch den Rekordgewinn von fast 1,5 Milliarden Euro letztes Jahr, den verdankt der Konzern hauptsächlich der holländischen Partnerin KLM. Auf Mittel- und Kurzstrecken fliegt Air France Defizite ein. Die Geschäftsleitung sichert für 2018 deshalb lediglich eine Lohnerhöhung von 2 Prozent zu und auf die folgenden drei Jahre verteilt weitere 5 Prozent.
Zu wenig, um das Cockpit-Personal von Streiks abzuhalten. Dabei gehören die französischen Piloten zu den bestbezahlten der Branche. Ein langjähriger Bordkommandant verdient 20’000 Euro monatlich, mehr als seine Kollegen bei Lufthansa oder British Airways.
Hoch gepokert und verloren
Um die Gewerkschaften unter Druck zu setzen, liess Konzernchef Jean-Marc Janaillac die über 40'000 Angestellten über das Lohn-Angebot abstimmen und verknüpfte mit dem Mitarbeitervotum zugleich sein eigenes Schicksal: «Gibt es ein Nein, sehe ich keine Möglichkeit, Chef zu bleiben.»
Es kam, wie es kommen musste: Das Angebot wurde mit 55 Prozent abgelehnt, Janaillac musste gehen. Und die Air France/KLM-Aktien stürzten in den Keller, brachen zeitweise über 14 Prozent ein.
Defizite im Europaverkehr
Der Sozialkonflikt und die damit verbundenen Kosten schwächen Air France weiter. Mit den Tochtergesellschaften Hop und Transavia hoffte die Airline, mit Billiganbietern wie Easy Jet oder Ryanair mithalten zu können. Doch wie die Lufthansa oder British Airways schafft es auch Air France nicht, auf Europastrecken profitabel zu arbeiten.
Die Gewinne erwirtschaften die klassischen Airlines auf der Langstrecke, wo sie aber viel Geld in die Erneuerung ihrer Kabinen und ihres Produkts stecken müssen, um den aufstrebenden Airlines aus der Golfregion oder Asien Paroli zu bieten.
Der Ruf leidet
Auch wenn jeder Streiktag 23 Millionen Euro kostet – der Reputationsverlust trifft das Unternehmen noch empfindlicher. Geschäftsleute wenden sich von der alteingesessenen Fluggesellschaft ab und buchen lieber andere Airlines, die den Flugplan auch einhalten.
Deshalb mischte sich nun auch Frankreichs Wirtschaftsminister Bruno Le Maire in den Konflikt ein. Er rief die Mitarbeiter der Fluggesellschaft und insbesondere die Piloten dazu auf, Vernunft anzunehmen. «Das Überleben von Air France steht auf dem Spiel». Die französische Regierung hält immer noch ein 14-Prozent-Aktienpaket an der 2003 fusionierten Air France-KLM. Le Maire betonte, der Staat werde nicht rettend eingreifen.
Air France/KLM ist ein privates Unternehmen, unterstreicht Yann Cochennec, Chefredaktor des Magazins «Air&Cosmos». Doch es sei an der Zeit, dass der Staat darauf verzichte, Technokraten an die Konzernspitze zu setzen, die wenig vom Geschäft verstehen. «Und das Personal muss begreifen, dass Air France nur mehr eine Marke ist, ein Dienstleistungsunternehmen, das die Passagiere sicher von A nach B bringt.»
Weitere Konflikte programmiert
Ein Zwist bahnt sich mit der Partnerin KLM an. Diese fliegt ihr Pensum nicht nur ohne zu streiken; die viel kleinere Airline erwirtschaftet auch zwei Drittel des Gewinns. Da kommen unweigerlich Gedanken an die Swiss auf, die im Lufthansa-Konzern als «cash cow», als Goldesel gilt. Mit schlanken Strukturen erwirtschaftet sie Gewinne, derweil die Lufthansa-Piloten in den letzten Jahren bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit zum Mittel Streik griffen. Damit sorgten sie nicht nur für wirtschaftlichen Schaden, sondern auch für ein ramponiertes Ansehen.
Die Air France hat nicht viel Zeit, wieder Flughöhe zu gewinnen. Die Gewinnaussichten für europäische Airlines sind deutlich trüber als letztes Jahr, und der Kerosinpreis steigt.