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Auf der Suche nach einem Job Über 60-Jährige trifft es am härtesten

Insgesamt hat sich der Arbeitsmarkt wieder erholt. Einzig bei den 60-bis 64-Jährigen verharrt die Arbeitslosenquote auf relativ hohem Niveau.

Derzeit wird eine Erhöhung des Rentenalters heiss diskutiert. Doch schon im aktuellen System ist es nicht selbstverständlich, bis zur Pensionierung einem Job nachgehen zu können. Dies hat sich seit Ausbruch der Corona-Pandemie verschärft.

Während die Arbeitslosenquote über alle Altersgruppen hinweg zwischenzeitlich markant stieg, bleibt sie einzig bei den 60- bis 64-Jährigen hoch. Seit September verharrt sie bei 3.9 Prozent – und erholte sich damit seit Februar dieses Jahres nur um 0.5 Prozentpunkte. Zum Vergleich: Bei den 25- bis 29-Jährigen sank die Quote im selben Zeitraum von 4.4 Prozent auf 2.8 Prozent.

 «Sie sind zu alt»

Barbara Wieser, 61 Jahre alt, ist seit vergangenem April auf Stellensuche. 115 Bewerbungen hat sie eingereicht, zu drei Vorstellungsgesprächen wurde sie eingeladen. «Oft wird geschrieben 'trotz Ihrer sehr guten Qualifikationen müssen wir Ihnen eine Absage erteilen, weil wir Kandidaten haben, deren Profil wesentlich besser passt'. Ich denke, das ist zwischen den Zeilen gesagt 'Sie sind zu alt'.»

Wenn ich das Alter schon im Vornherein als Problem ansehe, drehe ich mich viel zu stark um dieses Thema.
Autor: Walter Burkhalter Seniorberater

Dass es ältere Arbeitssuchende per se schwieriger hätten, glaubt Seniorberater Walter Burkhalter nicht. Er begleitet Arbeitslose bei einer Neuorientierung und sagt: «Für viele Unternehmen ist das Alter gar kein Thema. Aber wenn ich das Alter schon im Vorne herein als Problem ansehe, drehe ich mich viel zu stark um dieses Thema als um die neue Herausforderung.»

Entscheidend sei zudem, die eigene Situation möglichst rasch zu akzeptieren. Doch damit hätten besonders jene mit einer langjährigen Vergangenheit bei ein- und demselben Unternehmen Mühe. «Wenn die Akzeptanz da ist, geht es viel schneller.»

Die Hälfte sucht seit mindestens einem Jahr

Dass Ältere am längsten suchen müssen, zeigen auch die Zahlen. Fast die Hälfte der 60- bis 64-jährigen Arbeitslosen sind langzeitarbeitslos, also seit mindestens einem Jahr ohne Job. Für sie ist die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt besonders schwierig.

Das fällt auch Walter Burkhalter auf. «Man muss diesen Leuten Mut machen, dass sie nicht nachlassen, dass sie sich weiterhin auf ihre Fähigkeiten konzentrieren, sich auf dem Arbeitsmarkt vorwärtsbewegen und das Netzwerk – ein wichtiger Punkt – weiterpflegen.» Gleichzeitig müsse aber auch die Kompromissbereitschaft grösser werden. «Man schaut für andere Jobs, die vielleicht nicht mehr ganz seinem Profil entsprechen. Das bringt schon Stress mit sich.»

Bevor man über eine Erhöhung des Rentenalters nachdenkt, muss die Wirtschaft umdenken und auch älteren Leuten eine Chance geben.
Autor: Barbara Wieser Arbeitssuchende

Barbara Wieser ist ehemalige Administrationsleiterin. Sie wäre bereit, eine andere Stelle anzunehmen und Abstriche zu machen. «Doch dann bekomme ich erst recht Absagen, weil ich überqualifiziert bin», sagt sie. Bevor man über eine Erhöhung des Rentenalters nachdenke, müsse die Wirtschaft umdenken und auch älteren Leuten eine Chance geben. «Oft bekomme ich gar keine Antwort. Das ist sehr frustrierend und man kann nicht jeden Tag gleich damit umgehen.»

Tagesschau, 06.12.2021, 19:30 Uhr

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