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Aufschwung nach der Krise Ankurbelungshilfe, staatlich verordnet: Befürworter und Gegner

Ob ein Konjunkturprogramm für die Schweiz sinnvoll wäre, darüber gehen die Meinungen unter Ökonomen auseinander.

Die Schweiz hat zig Milliarden ausgegeben, um Unternehmen in der Coronakrise mit Notfallkrediten und Kurzarbeitsgeldern zu helfen. Doch das reiche nicht, sagt Ökonom und Unternehmensberater Klaus Wellershoff.

«Man kann jetzt auch nichts machen, aber dann dauert die Krise halt einfach länger. Und historisch gesehen sind die Schweizer, was die Länge der Rezessionen angeht, wirklich keine Weltmeister.» Sprich: Andere Länder fanden jeweils schneller aus den Rezessionen heraus als die Schweiz.

Eine Umfrage der Konjunkturforschungsstelle KOF und der NZZ hat gezeigt, dass fast die Hälfte von 167 befragten Ökonominnen und Ökonomen, die in der Schweiz forschen, ein Fiskalprogramm in der jetzigen Krise sinnvoll fände.

Klaus Wellershoff
Legende: Aus Sicht von Klaus Wellershoff müsste ein Programm bei Nachhaltigkeit und Digitalisierung ansetzen. Keystone/Archiv

Wellershoff, der nicht Teil der Umfrage war, würde bei einem solchen Programm dort ansetzen, wo es in der Schweiz schon einen politischen Konsens darüber gibt, dass Veränderungen notwendig sind. «Wir sind uns doch mehrheitlich einig, dass wir nachhaltiger werden und vermehrt in Digitalisierung investieren müssen. Das vorzuziehen, sozusagen staatlich unterstützt zu beschleunigen, wäre der Inhalt eines solchen Programms.»

Kein Einfluss auf internationale Konjunktur

Das sei aber kein klassisches Konjunkturprogramm, hält Jan-Egbert Sturm, Leiter der KOF, dagegen. «Brauchen wir Impulse von der staatlichen Seite her, um diesen Strukturwandel zu beschleunigen? Das ist eine andere Frage. Das ist keine Konjunkturpolitik.» Von einem klassischen Konjunkturprogramm, das mit staatlichen Geldern die Nachfrage nach Gütern ankurbelt, hält er wenig.

Er verweist auf die Exportindustrie. «Die Schweiz ist eine kleine, offene Volkswirtschaft. Die konjunkturelle Bewegung wird hauptsächlich durch die internationale Konjunktur getragen. Und die kann man mit Schweizer Politik kaum beeinflussen.» In vielen Bereichen, die besonders stark unter der Pandemie leiden, käme die Erholung zudem irgendwann von alleine in Gang.

Jan-Egbert Sturm
Legende: Laut Jan-Egbert Sturm hat der Strukturwandel wenig mit einem klassischen Konjunkturpaket zu tun. Keystone

«Im Moment können wir nicht in dem Ausmass ins Restaurant gehen, wie wir das sonst machen würden», nennt Sturm als Beispiel. «Aber wenn es wieder erlaubt ist, wird die Nachfrage wieder auf Normalniveau zurückkehren.»

Verschuldung wegen Notkrediten

Während Sturm der Idee eines Konjunkturprogramms nichts abgewinnen kann, sieht Ökonom Christian Keuschnigg von der Universität St. Gallen sehr wohl Handlungsbedarf – über die bisher geleistete Milliardenhilfe hinaus.

«Was am Ende der Krise trotz aller Unterstützung bleiben wird, ist, dass viele Unternehmen viel Eigenkapital verloren haben.» Viele hätten Notkredite aufgenommen. «Das heisst, sie werden mit grösserer Verschuldung dastehen.» Da bleibe so manch einem Betrieb kaum Luft zu investieren.

Christian Keuschnigg
Legende: Die Verschuldung werde auch nach der Krise viele Firmen beschäftigen, sorgt sich Christian Keuschnigg. Keystone

Keuschnigg würde deshalb den Aufbau von Eigenkapital oder Investitionen in die Forschung und Entwicklung von neuen Produkten steuerlich begünstigen. Das würde der Schweizer Wirtschaft längerfristig helfen, ist er überzeugt.

An Ideen, wie die Schweiz ihre Konjunktur zusätzlich ankurbeln könnte, mangelt es also nicht. Doch eine Gefahr gebe es, so Wellershoff: «Schweizer Konjunkturprogramme brauchen jeweils lange, bis tatsächlich das Geld ausgegeben wird. In der Regel ist dann der Aufschwung schon da.»

Das gilt auch für die milliardenschweren Pläne, die derzeit in den USA und der EU gewälzt werden: Dass der staatliche Impuls zwar gut gemeint ist, aber allenfalls zu spät wirkt.

Rendez-vous, 18.05.2021, 12:30 Uhr

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