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Auswirkungen der Pandemie Corona beschert der Luftfracht einen Höhenflug

Während der Pandemie kam der Reiseverkehr zum Erliegen. Der Warentransport per Flugzeug erlebte aber enorme Nachfrage.

Rote Rosen aus Kenia, Medikamente aus Basel, Ersatzteile für Maschinen in Asien – im Bauch von Flugzeugen wird alles Mögliche transportiert. Meist unbemerkt von den Flugreisenden, die in der oberen Hälfte des Flugzeugs sitzen. Mit der Pandemie hat sich das schlagartig geändert: die Grenzen zu – die Flugzeuge am Boden.

Damit kam auch dieser Warenverkehr zum Erliegen. Trotzdem mussten Güter weiterhin über weite Strecken transportiert werden. Deshalb haben die Fluggesellschaften kurzerhand umgesattelt, wie Max Oldorf sagt, Experte bei CH-Aviation, einem Beratungsunternehmen für die Luftfahrtbranche: «Sehr viele Fluglinien, die davor Passagiere transportiert haben, sind dann mit Passagiermaschinen Fracht geflogen.» Die Passagierkabinen seien teilweise leer gewesen und nur der Frachtraum beladen worden. «Selbst diese Flüge haben deutlichen Profit gemacht.»

Das Frachtgeschäft hat teilweise den schwächelnden Personenverkehr kompensiert.
Autor: Dieter Vranckx CEO der Swiss

Auch die Swiss hat das genau so gemacht – und damit tatsächlich gutes Geld verdient, wie Dieter Vranckx bestätigt, der Chef der Swiss: «Das Frachtgeschäft hat teilweise den schwächelnden Personenverkehr kompensiert.»

Das Frachtgeschäft hat den Fluggesellschaften dringend benötigtes Geld in die Kassen gespült – vor allem aufgrund der deutlich gestiegenen Preise für Luftfracht, wie Oldorf erklärt: Ein Kilogramm habe für den Transport zwischen Europa und Nordamerika vor der Krise etwa 1.80 US-Dollar gekostet, sei man inzwischen bei etwa 6 US-Dollar angekommen.

Logistikprobleme auf dem Meer

«Die Frachtraten haben sich stellenweise verdreifacht. Davon hat die Luftfracht extrem profitiert», sagt Oldorf. Das gilt für spezialisierte Logistikunternehmen mit eigenen Frachtflugzeugen, aber auch für normale Fluggesellschaften mit Interkontinental-Flügen.

Swiss.Maschine wird beladen
Legende: Wie stark die Luftfracht während der Pandemie zugelegt hat, zeigt sich in den jüngsten Zahlen des internationalen Luftfahrtverbandes: Vor der Pandemie haben die Fluggesellschaften mit der Fracht jährlich rund 100 Milliarden Dollar Umsatz gemacht. Für 2021 rechnet der Verband nun mit 175 Milliarden Dollar. Ein absoluter Spitzenwert. Keystone

Die grosse Nachfrage nach Luftfracht habe auch mit den Entwicklungen am Boden zu tun, sagt Swiss-Chef Dieter Vranckx: «Wenn es Engpässe im Frachtverkehr auf dem Boden oder auf dem Meer gibt, ist das Frachtgeschäft in der Luft stark gefragt. Davon profitieren wir natürlich.»

Denn aktuell stauen sich vor vielen Häfen die Frachtschiffe: Sie können nur verspätet be- oder entladen werden – oder es fehlt schlicht an Containern, um Waren zu transportieren. Gleichzeitig sind die Preise für den Seetransport noch stärker gestiegen als für Luftfracht. «Wir sind hier kompetitiv unterwegs. Es ist manchmal viel teurer, ein Produktionswerk stillzulegen, als etwas mehr zu bezahlen für Luftfracht.»

Mitten im «Schweinezyklus»

Die grosse Nachfrage nach Luftfracht hat nun auch dazu geführt, dass verschiedene Logistikunternehmen zusätzliche Flugzeuge bestellt haben – und zwar reine Frachtflugzeuge. Insgesamt sind aktuell rund 140 Neubestellungen offen. Luftfahrtexperte Oldorf macht allerdings ein grosses Fragezeichen hinter die aktuelle Entwicklung: «Wir sehen hier einen klassischen Schweinezyklus.»

Heisst: Angebot und Nachfrage dürften über kurz oder lang überhaupt nicht überein stimmen. Auch weil sich der Passagierverkehr weiter normalisieren dürfte: «Es wird wieder mehr Passagierflugzeuge geben, die Fracht transportieren können. Dementsprechend sind wir momentan wahrscheinlich auf dem Höhepunkt dieses Schweinezyklus: Es gibt sehr hohe Frachtraten und zu wenige Frachtflugzeuge.»

Über die nächsten Jahre erwartet Oldorf eine Bereinigung mit weit niedrigeren Frachtraten. «Kurzfristig ist es aber immer noch ein sehr gutes Geschäft.» Wobei es auch sehr stark darauf ankommt, ob sich die Probleme mit der Logistik am Boden und zur See lösen – oder sogar noch verschärfen.

Echo der Zeit, 29.11.2021, 18 Uhr

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