Wachsen – das will praktisch jede Bank: Wachsen, neue Kunden anwerben, noch mehr Geld verwalten. Das ist auch das Mantra von Credit-Suisse-Chef Tidjane Thiam. So erklärte er heute an der Bilanzmedienkonferenz, die CS wachse vor allem mit den bestehenden Kunden. Die Bank ermuntere sie zum Beispiel, noch mehr von ihrem Vermögen zur CS zu bringen, so Thiam.
Darüber hinaus zählt aber auch die CS zu den Banken, die immer mal wieder einer anderen Bank Kundenberater abjagen. Denn diese spielten eine Schlüsselrolle, räumt Thiam ein: «Ohne gute Berater ist Wachsen nur begrenzt möglich.» Die CS suche deshalb unentwegt nicht möglichst viele, aber möglichst gute Kundenberater.
Sehr oft übertreffen die Erwartungen die Realität.
Wenn es einer Bank gelingt, einer Konkurrentin ein Beraterteam abzuwerben, mag das in einem ersten Schritt erfreulich sein. Doch die Rechnung geht nicht immer auf, beobachtet Branchenkenner Christian Hintermann vom Beratungsunternehmen KPMG.
Denn wie viele Kunden jeweils effektiv mit ihren Beratern zur neuen Bank wechseln, variiere von Fall zu Fall: «Die Banken, die Kundenberater verlieren, sagen, dass nur sehr wenige Kunden mit ihnen wechseln – etwa 10 bis 20 Prozent. Spricht man mit den Banken, die neue Kundenberater angeworben haben, hört man viel höhere Prozentsätze.»
Genaue Zahlen zu diesen Wechseln fehlen. Doch auch Patrick Schwaller vom Beratungsunternehmen «EY», der die Bankbranche ebenfalls seit langer Zeit analysiert, ist überzeugt: «Sehr oft übertreffen die Erwartungen die Realität.»
Buhlen um Asiens Aufsteiger
Trotz einiger Enttäuschungen in der Vergangenheit buhlen die Banken laut Schwaller vor allem im boomenden Asien nach wie vor regelrecht um Kundenberater; aus Angst, sonst zu wenig stark vom rasant wachsenden Wohlstand mit all seinen neuen Millionären und Milliardären profitieren zu können.
Das Problem: Laut Schwaller wechseln die Kundenberater in Asien teilweise alle zwei Jahre ihren Arbeitgeber. Locken irgendwo attraktive Wechselprämien, ziehen die Berater weiter – mit oder ohne Kunden. Ob die Rechnung unter dem Strich finanziell nur für die umschwärmten Kundenberater aufgeht oder auch für die Banken, ist zumindest fraglich.
Banken verstärken ihr Abwehrdispositiv
KPMG-Experte Hintermann stellt nun eine Art Umdenken bei den Banken fest. Zwar geht die Jagd nach fremden Kundenberatern munter weiter. Gleichzeitig würden die Banken aber verstärkt versuchen, das Abwandern der eigenen Kundenberater und Kunden zu verhindern.
Die Banken versuchten zu erreichen, die Kundenbindung auf das Institut und nicht auf einen einzelnen Berater zu lenken, erklärt Hintermann: «Gewisse Banken verfolgen deswegen einen Team-Ansatz – ein Team ist also für die Betreuung eines Kunden verantwortlich. Der Kunde hat damit mehrere statt nur eine Ansprechsperson, von der eine sehr starke Abhängigkeit besteht.»
Aber: Selbst mit solchen Tricks lassen sich natürlich weder Berater noch Kunden an die Bank fesseln. Die Loyalität im Bankgeschäft bleibt fragil.