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Betrug als Geschäftsmodell Wenn das Geld plötzlich weg ist

In der Schweiz sind letztes Jahr Anleger, Vereine und Organisationen um rund 100 Millionen betrogen worden. Die Dunkelziffer ist aber sehr gross. Denn nicht alle bringen den Betrug zur Anzeige.

Eine Schreckens-Vorstellung: Personen vertrauen ihre Pensionskassen-Gelder Betrügern an, ohne es zu merken. Die Betroffenen erhoffen sich eine höhere Rendite und damit eine bessere Rente. Doch irgendwann müssen sie erfahren, dass ihr Geld veruntreut wurde und verloren ist.

Anleger wie sie sind in der Schweiz nebst Vereinen und Hilfsorganisationen am meisten betroffen von Wirtschaftskriminalität. Zusammen werden diese im vergangenen Jahr um rund 100 Millionen betrogen.

Täter sind in einem Fünftel der Fälle Angestellte

Betrogen werden sie hauptsächlich von Firmen oder angeblichen Beratern, die sich Betrügerei zum Geschäftsmodell gemacht haben. Rund ein Drittel aller Fälle haben einen gewerbsmässigen Hintergrund. Hinter einem Fünftel der Fälle stecken Angestellte, sagt Forensiker Matthias Kiener vom Beratungsunternehmen KPMG. Und die Tendenz sei steigend:

«Der Druck, der auf den Managern lastet, ist heutzutage extrem», sagt Kiener. Vor allem bei Firmen, die stark im Fokus der Öffentlichkeit stehen. «Wenn Zahlen mit dem ordentlichen Geschäftsverlauf nicht erzielt werden können, ist die Gefahr relativ hoch, dass man in die Trickkiste greift», erklärt Kiener am Beispiel von Bilanzbetrug.

Oft im Stillen geregelt

Ein Griff in die Trickkiste machen in der Schweiz im vergangenen Jahr weniger Personen, zumindest wenn man sich auf die Gerichtsfälle stützt. Doch der Eindruck täusche, sagt Matthias Kiener. Er selbst arbeitet als externer Berater für Firmen und unterstützt diese bei der Aufdeckung von internen Betrügereien. Nur gerade zwei bis drei von zehn Fällen würden auch angezeigt werden.

Ob letztendlich ein Fall angeklagt werde, hänge laut Kiener damit zusammen, ob man es überhaupt zur Anklage bringen will. «Oft werden diese Fälle im Stillen geregelt, weil man kein Interesse daran hat, es an die grosse Glocke zu hängen und damit an die Öffentlichkeit zu treten.» Die Dunkelziffer sei deshalb extrem gross.

Viele Firmen machten aus Reputations-Gründen keine Anzeige. Der Forensiker beobachtet aber, dass Unternehmen in den letzten Jahren ihre Präventionsmassnahmen verstärkt haben.

Nordostschweiz und Zürich am stärksten betroffen

Unterschiede gibt es nicht nur zwischen der Anzahl Gerichtsfälle und der Realität, sondern auch zwischen den Regionen. So war die Wirtschaftskriminalität in der Nordostschweiz und in der Region Zürich am höchsten.

Da werden Firmen auf arglistige Weise dazu gebracht, Gelder zu überweisen. Darunter gehören auch Millionenbeträge.
Autor: Matthias Kiener Forensiker beim Beratungsunternehmen KPMG

Wichtig zu wissen: Der Fall Raiffeisen ist in der Statistik nicht enthalten, da die Gerichtsverhandlung noch bevorsteht. Aber auch ohne diesen Fall, sei damit zu rechnen, dass die Kriminalitätsrate und Schadensumme in den kommenden Jahren insgesamt steige. Der Grund sei die wachsende Internet-Kriminalität, sagt Kiener.

«Da werden Firmen auf arglistige Weise dazu gebracht, Gelder zu überweisen. Darunter gehören auch Millionenbeträge. Wir werden in Zukunft wohl mehr und mehr solche Fälle sehen, die vor Gericht verhandelt werden», so Kiener.

Dem Wirtschaftsforensiker wird die Arbeit also nicht ausgehen: Die Wirtschaftskriminalität in der Schweiz floriert.

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