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Bitcoin auf Vormarsch Die Zentralafrikanische Republik will den Bitcoin einführen

In dem afrikanischen Land soll die Digitalwährung bald offizielles Zahlungsmittel werden. Experten sind skeptisch.

Die Zentralafrikanische Republik ist nach El Salvador das zweite Land weltweit, das die Kryptowährung Bitcoin als gesetzliches Zahlungsmittel zulässt. In der Theorie tönt das einfach: Konsumentinnen und Konsumenten brauchen keine Münzen, kein Notengeld und kein Bankkonto. Sondern nur ein Handy mit Zugang zum Internet. Alle können mit Bitcoin handeln, bezahlen oder einkaufen – ohne Transaktionsgebühren.

Die Regierung der Zentralafrikanischen Republik sieht darin einen Vorteil für ihre Bevölkerung. Viele sind arm, das Land gilt als unterentwickelt und instabil. Der Bitcoin als offizielles Zahlungsmittel soll das Leben vieler erleichtern.

Fachleute aber zweifeln. Fabian Schär, Bitcoin-Experte und Professor an der Universität Basel sagt: «In dem Land hat man eine Internet-Durchsatzrate von 10 bis 15 Prozent. Das ist keine gute Voraussetzung.» Denn ohne Internetzugang gibt es auch keinen Bitcoin im Alltag. «Zudem ist es schwierig, wenn die Personen keine Erfahrung mit dem Internet haben und dann etwas kommt, das darauf aufbaut. Beim Umgang mit dieser Technologie sicherlich ein schwieriger Schritt.»

Bitcoin bereits in El Salvador

Das zeigt sich auch in El Salvador. Das kleine Land in Mittelamerikas hatte vor einigen Monaten als erstes den Bitcoin als offizielles Zahlungsmittel eingeführt. Bitcoin-Zahlungen sind nicht mehr freiwillig, wie etwa in der Schweiz, sondern Unternehmen und auch der Staat müssen den Bitcoin akzeptieren.

Oder müssten, denn in der Praxis akzeptieren zwar einige Läden und Restaurants den Bitcoin. «Aber man muss davon ausgehen, dass es auch ganz viele Orte gibt, wo das nicht akzeptiert wird», sagt Schär. Weil aber die technischen Möglichkeiten fehlen, bezahlen viele mit Dollar. Doch noch ist es gemäss Experten zu früh, das Bitcoin-Experiment in El Salvador als gescheitert zu erklären. Denn der Aufbau der Infrastruktur brauche Zeit.

Auch in Afrika wird der Bitcoin kaum schnell zur Realität, nur weil er zum gesetzlichen Zahlungsmittel erklärt wurde. «Es geht primär darum, Alternativen auszuprobieren. Gleichzeitig ist es auch ein Marketing-Aspekt, wenn man sich als digitaler Vorreiter in der Region etablieren möchte», sagt Schär. 

Auch ein weiteres, ein drittes Land, nämlich Panama, möchte den Bitcoin als Währung zulassen. Trotzdem sind viele Experten sehr kritisch. Zum Beispiel Christian Ambrosius von der Freien Universität Berlin, der sich als Lateinamerika-Experte mit der Bitcoin-Einführung in El Salvador befasst.

Umgehung von internationalen Regulierungen

Ambrosius bezweifelt, dass es dabei um das Wohl der Bevölkerung geht: «Der einzige plausible Grund, den ich sehen kann, ist der Versuch, Teile dieses Kapitals aus dem Schattenreich des globalen Kapitalismus anzulocken.» Möglicherweise gehe es darum, internationale Regulierungen im Finanzsystem zu umgehen und Kryptowährungen in den Wirtschaftskreislauf einzuspeisen.

«Zum Beispiel das Geld sanktionierter russischer Oligarchen, die natürlich schauen müssen, wie sie an das Geld kommen, welche Nischen oder Schlupflöcher es gibt im globalen Finanzmarkt. Und ich vermute, dass die Strategie solcher Länder genau auf so etwas spekulieren», sagt Ambrosius.

Das Wohl der Bevölkerung sei ein vorgeschobenes Argument, vermutet er. Wenn es wirklich darum ginge, gäbe es wirksamere Mittel als die Einführung einer Digitalwährung, zumal der Kurs des Bitcoins stark schwanke. Das heisst: für die Bevölkerung gibt es nicht nur viel zu gewinnen, sondern auch viel zu verlieren.

Echo der Zeit, 30.04.2022, 18:00 Uhr

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