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Börsenjahr 2016 Weshalb die Kurse an der Wall Street nur nach oben zeigen

In diesem Jahr kennt die Wall Street nach oben keine Grenzen. Kurz vor Jahresende stehen die Kurse auf Rekordniveau. Und das, obwohl viele Analysten vor einem schwachen Jahr für die Märkte gewarnt haben. Warum ist das so? Eine Suche nach Erklärungen – auf dem Börsenparkett.

Die Wall Street ist auf Rekordjagd. Seitdem die Amerikaner Donald Trump ins Weisse Haus gewählt haben, stellen die Indizes und der Dow Jones fast täglich neue Rekorde auf. Dabei hatten Analysten Ende 2015 etwas ganz anderes vorausgesagt. Viele erwarteten ein flaches Jahr.

Keiner der Top-Leute von JP Morgan, Credit Suisse oder Merrill Lynch glaubten, der S&P 500 Index würde das Jahr mit mehr als 2050 Punkten beenden. Gleich zu Anfang verlor der S&P 500 sechs Prozent bis zum 6. Januar – die schlimmste Woche für den Index in fünf Jahren. Der Dow Jones rutsche im Februar auf sein Jahrestief. Der Grund für all den Missmut: Ein besorgniserregend schlappes Wirtschaftswachstum in China und der Absturz der Ölpreise auf ein zehn Jahrestief.

Aus jeder Krise gingen die Märkte stärker hervor

Doch die Februar-Krise war nur eine von vielen in einem turbulenten Jahr. Händler und Börsen-Urgestein Peter Tuchman erinnert sich: «Brexit, die Geldpolitik der Notenbank, Trump, Terror-Anschläge, der Ölpreis bei 25 Dollar – all diese Schocks haben eine heftige Reaktion bei den Anlegern ausgelöst. Alle haben schnellstmöglich verkauft.»

Die Krisen des Jahres waren alle unterschiedlich, haben jedoch eine Gemeinsamkeit: Sie lösten eine Verkaufswelle aus und liessen die Kurse kurzfristig in den Keller stürzen. Doch jedes Mal standen die Märkte hinterher besser da als zuvor. Tuchman: «Warum steht die Wall Street trotz all dieser Ereignisse auf einem Rekordhoch? Ganz einfach: Die Investoren haben zwar verkauft als sie panisch wurden, aber danach haben sie gleich doppelt zugeschlagen.»

Die Investoren haben verkauft als sie panisch wurden, aber danach gleich doppelt zugeschlagen.»
Autor: Peter Tuchman Börsenhändler

Bei allen Ereignissen folgte auf Panik überbordende Euphorie, auf Pessimismus Optimismus – teilweise schienen Anleger rund um den Globus innerhalb weniger Stunden ihre Meinung zu ändern. Die Analysten warnten im Vorfeld sowohl vor einem möglichen Austritt Grossbritanniens aus der EU, als auch vor einer vor einer Wahl Trumps. Börsencrash könnten die Folge sein.

Robuste Widerstandskraft

Doch die Investoren rappelten sich in beiden Fällen schnell wieder auf. Bemerkenswert schnell, sagt der Analyst Sam Stovall von CFRA Research: «Im Durchschnitt fallen Märkte nach einem Schock um 3.5 Prozent. Sie machen die Verluste durchschnittlich nach 18 Kalendertagen wieder gut. Nach dem Brexit dauerte es nur 15 Tage bis alle Verluste wieder ausgeglichen waren. Das ist Widerstandskraft. Die Investoren haben erst verkauft, aber als sie sahen, dass keine Rezession drohte, sind sie schnell wieder zurück in den Markt.»

Nach dem Brexit dauerte es nur 15 Tage bis alle Verluste wieder ausgeglichen waren. Das ist Widerstandskraft.
Autor: Sam Stovall Analyst

Der Brexit schien auf einmal doch nicht so schlimm – weit weg von Amerika wie auch die Terroranschläge in Europa. Und bei Donald Trump war das Glas nach der Wahl plötzlich halbvoll, statt halbleer: Die Anleger glauben seinen Versprechen, dass er weniger regulieren und Steuern senken wird.

Alan Valdes meint, dass für die Händler die Resultate einer Entscheidung oft weniger wichtig sind als die Entscheidung selbst: «Als Händler hassen wir Unsicherheit. Vor dem Brexit waren wir ahnungslos, vor den Wahlen ebenso. Wir wussten nicht, ob die Briten bleiben, wir wussten nicht, ob Trump gewinnt. Als die Entscheidung gefallen war, haben wir uns schnell angepasst und nicht mehr zurück geblickt».

Irgendwann kommt der Rückschlag

Viele Anleger verkaufen vor marktrelevanten Ereignissen ihre Aktien und steigen dann zu niedrigen Preisen wieder ein. Der Markt reguliere sich so selbst, heisst es auf dem Börsenparkett. Doch was geschieht bei stetig steigenden Kursen, so genannten «Bullenmärkten»? Werden die Preise nicht irgendwann zu hoch? Sam Stovall:

«Bullenmärkte bestehen durchschnittlich vier bis fünf Jahre lang. Sie verhalten sich wie Menschen: Je älter sie sind, desto instabiler und zerbrechlicher werden sie. Gegen Ende hin werden sie zunehmend volatiler. Einfach, weil die Unsicherheit darüber, wann es zu Ende geht, zunimmt.»

Bullenmärkte sind wie Menschen: Je älter sie sind, desto instabiler und zerbrechlicher werden sie.
Autor: Sam Stovall

Sam Stovall und der Börsenhändler Alan Valdes stellen sich auf ein volatiles Jahr ein, Händler Peter Tuchman hingegen glaubt fest daran, dass die Rally weitergeht. Analysten liegen in ihren Vorhersagen übrigens historisch meist falsch – wofür das Jahr 2016 ein weiterer Beweis ist.

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