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Boomende Branche Coronakrise macht Online-Händlern Dampf

Der explosionsartige Anstieg der Internetbestellungen während des Lockdowns hat Online-Anbieter überrumpelt. Was sonst nur in der Weihnachtszeit der Fall ist, wurde im April zum Normalzustand: «Bei uns war es wie zwei Monate Black Friday. Die Bestellungen haben sich über Wochen vervierfacht», sagt der Unternehmensleiter von microspot.ch, Pierre Wenger.

Inzwischen haben sich die Bestellmengen wieder auf höherem Niveau eingependelt. Das Wachstum im E-Commerce wird allerdings unabhängig von Corona kontinuierlich ansteigen. Ralf Wölfle, Professor für E-Business, erklärt: «2020 ist einfach ein Ausnahmejahr. Da haben wir nicht nur ein kontinuierliches Wachstum, sondern einen Sprung gemacht.» Bis Ende Jahr erwartet er eine Zunahme von 30 Prozent.

Online-Händler erweitern Kapazitäten

Mit Blick auf das anhaltende Wachstum im Online-Handel sind im Logistikzentrum von microspot.ch diverse Kapazitätserweiterungen geplant. Zum Beispiel werden zusätzliche Eingangsplätze für zugelieferte Ware geschaffen. Oder der Durchsatz in der Kommissionierung soll erhöht werden, damit Einzelaufträge schneller im Gesamtpaket versandbereit sind. Weitere Automatisierungsschritte wie beispielsweise Pack-Roboter werden laufend geprüft.

Um künftig auch bei der Auslieferung besser aufgestellt zu sein, habe der Online-Händler während des Lockdowns neue Paketlieferdienste angebunden. Dadurch konnte das riesige Volumen auf verschiedene Anbieter verteilt werden.

Die Post investiert in ortsnahe Logistik

Wölfle stellt fest, dass sich aufgrund des wachsenden Online-Handels ein Trend zur lokalen Logistik herauskristallisiert. Diesem Trend folgt auch die Schweizerische Post. Im März wurde in Ostermundigen ein regionales Paketzentrum in Betrieb genommen. Dieses soll verhindern, dass Pakete unnötig weite Wege zurücklegen. Der Leiter für Pakete, Stefan Luginbühl, sagt: «Weitere solche regionalen Paketzentren sind in Bau oder in Planung.»

Während des Lockdowns kam die Post an ihre Grenzen. Zu Spitzenzeiten wurden bis zu 900'000 Pakete am Tag ausgeliefert. Um die Paketmenge besser in den Griff zu kriegen, wurde mit grossen Online-Händlern vereinbart, dass diese ihre Sendungen bereits vorsortieren. In den Paketzentren wurden zusätzliche Arbeitsschichten aufgebaut und ein Teil der Pakete wurde im Briefbereich verarbeitet. Künftig sollen die regionalen Paketzentren entlasten und mehr Verarbeitungskapazitäten schaffen.

Neue Lösungen für die letzte Meile

Der Experte beobachtet als weiteren Trend eine Zentralisierung der Logistik. Denkbar wären künftig beispielsweise City-Hubs, wo Sendungen von diversen Anbietern gebündelt und dann mit umweltfreundlichen Fahrzeugen in die Innenstädte ausgeliefert werden. Der Vorteil: In Städten wo das Verkehrsaufkommen hoch ist und die Platzverhältnisse gering, können Sendungen so effizienter zum Endkunden geliefert werden.

Mit ihrer Tochterfirma Notime testet die Post aktuell ein ähnliches Modell. In Zürich werden Sendungen einem regionalen Zentrum zugeführt und von dort mit elektrischen Fahrzeugen zu vier Mikro-Hubs in der Innenstadt gebracht. Der letzte Abschnitt bis zum Endkunden erfolgt dann mit E-Bikes. Stefan Luginbühl ist mit dem Experiment zufrieden: «Wir stellen fest, dass Kundinnen und Kunden ihre Bestellungen immer schneller erhalten wollen. Mit der Notime AG reagieren wir auf dieses Bedürfnis.» Künftig wären solche Modelle auch in anderen Schweizer Städten denkbar.

Schweiz aktuell, 17.07.2020, 19:00 Uhr

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