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Boomende Sonnenenergie Wie sich die Schweizer Solarindustrie von China befreien will

Solarenergie anstatt Öl und Gas. Doch auch bei der Photovoltaik ist der Westen abhängig: von China. Die meisten Solar-Module und -zellen stammen von dort. Schweizer Unternehmen wollen die Solarindustrie zurück nach Europa holen.

Solarmonteure haben viel zu tun auf Schweizer Dächern. Sonnenenergie ist gefragter denn je. Die Nachfrage übersteigt das Angebot – bei Solarmodulen aus China.

Kunden müssen bis zu einem halben Jahr warten, sagt Lukas Meister. Seine Firma Clevergie ist auf Produkte für erneuerbare Energien spezialisiert. «Es kann auch sein, dass überhaupt kein Liefertermin genannt wird, weil die Situation zu unsicher ist». Unsicher, weil die Lieferketten wegen der Corona-Situation in China noch immer unterbrochen sind. Zudem benötigt China die Module selbst in grossen Mengen. Das Land setzt auch zunehmend auf die Sonne als Energielieferanten.

Solar-panel-Park china
Legende: Die grössten Solarparks stehen in China New China TV / Youtube

China als Klumpenrisiko

Schweizer Solarprodukt-Hersteller produzieren zwar hochwertige Solarmodule in der Schweiz. Doch ohne China ginge nichts. Fast alle Solarzellen und auch der Rohstoff Silizium, den man für dafür benötigt, stammen aus China.

Zudem gab es Kritik an der Solarindustrie in der Region Xinjiang, wegen Zwangsarbeit bei der Gewinnung der Rohstoffe und der Herstellung des Polysiliziums für die Zellen.

«Ich erachte die Abhängigkeit von China als kritisch», sagt Lukas Meister. «Die Abhängigkeit von Solarmodulen aus Asien ist fast höher als bei Erdölprodukten in anderen Ländern.»

Ich erachte die Abhängigkeit von China als kritisch.
Autor: Lukas Meister Geschäftsführer Clevergie

Auch die Firma 3S in Thun ist abhängig von China. Das Unternehmen produziert individualisierte Solarmodule, die – ins Hausdach integriert – auch als Ziegel dienen. Die Module werden im eigenen Werk hergestellt. Die Produktion wachse jährlich um 30 Prozent. Doch die Zellen stammen auch aus China.

Solarmodul-Produktion in Thun, 3S Solar Plus
Legende: Solarmodul-Produktion in der Schweiz Die Firma 3S Solar Plus baut die Module selbst. Die Zellen stammen aus China. SRF

«Wenn wir aus irgendeinem Grund keine chinesischen Waren mehr haben und die Industrie in Europa noch nicht aufgebaut ist, können wir keine weiteren Solarprodukte herstellen», sagt Patrick Hofer-Noser, Geschäftsführer von 3S.

Eine Frage der Grösse

Die Firma Megasol Energie aus Deitingen SO erwähnt gerne ihre Leuchtturm-Projekte in Basel: Beim Amt für Energie und Umwelt oder bei Coop, wo ganze Fassaden mit Solarmodulen verbaut wurden, die als solche optisch kaum erkennbar sind. Doch auch dieses Unternehmen stünde ohne China still. Megasol produziert Standardmodule ebenfalls in China, im eigenen Werk.

Solarfassade Amt für Umwelt und Energie, Basel
Legende: Solarfassade made in Switzerland & China Megasol-Solarmodule beim Amt für Energie und Umwelt in Basel SRF

Man könne die Solarindustrie, die nach 2010 von Europa nach China abgewandert ist, wieder zurückholen, meint Megasol-Mitgründer Daniel Sägesser. Doch es wäre eine Herausforderung, eine grosse Industrie neu anzusiedeln. «Das wäre in den ersten Jahren mit massiven Investitionen verbunden, die man nicht am Markt amortisieren kann», meint Sägesser.

Meyer Burger will Produktion zurückholen

Das Schweizer Solar-Unternehmen Meyer Burger schreibt seit 10 Jahren rote Zahlen. Die Produktion von Solarmodul-Maschinen hat das Unternehmen aufgegeben, nun will man den Kampf gegen die Solarmacht China aufnehmen.

Seit 2021 produziert Meyer Burger Solarmodule und -zellen in Deutschland. Noch nicht in grossen Mengen, doch das soll sich bald ändern.

Unterstützt mit Fördergeldern der EU. Auch das Silizium stammt aus Europa.

automatisierte Solarmodul-Produktion
Legende: Solarmodul-Produktion von Meyer Burger in Deutschland Meyer Burger will die Solarindustrie zurück nach Europa holen. SRF

Die chinesische Solarindustrie habe den Vorteil eines geschlossenen Ökosystems von Zulieferern, sagt Gunter Erfurt, Geschäftsführer von Meyer Burger. «Das ist in Europa noch nicht der Fall.» Sein Unternehmen habe aber grosse Pläne, es will zum «Gigawatt-Spieler» werden. Dafür müssten in Europa auch die Lieferketten aufgebaut werden. «Es ist alles noch vorhanden, die Wurzeln sind noch da, und man muss jetzt die Pflänzchen giessen, damit sie wieder schön und gross werden», sagt Erfurt.

Schweizer Solarindustrie will Standortförderung

3S-Geschäftsführer Patrick Hofer-Noser begrüsst solche Pläne. «Die Frage wird sein, was die Schweiz macht?». Der Standort Schweiz könne mit Forschung an ihren Hochschulen punkten und auch mit innovativen Solar-Startups.

Doch es brauche noch mehr, sagt David Stickelberger, Geschäftsführer von Swissolar. Industriepolitik sei notwendig, also Standortförderung, damit sich mehr Solarunternehmen in der Schweiz ansiedeln.

Eine umstrittene Forderung, vor allem in bürgerlichen Kreisen. Der Weg zu einer konkurrenzfähigen europäischen Solarindustrie steht noch am Anfang.

10vor10, 4. April 2022

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