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Boykott russischer Kohle Kohlehandel-Embargo: Hat das Seco genügend Ressourcen?

Die Schweiz ist ein wichtiger Handelsort für russische Kohle. Doch ab Ende August ist der Handel damit in der EU und in der Schweiz komplett verboten. Sind die Schweizer Behörden auf die Umsetzung dieses Embargos vorbereitet?

Der Kanton Zug ist ein Gigant im Rohstoffhandel. Zusammen mit Genf und Lugano gehört Zug zu den international wichtigsten Rohstoff-Handelsorten – auch für russische Kohle. Doch wegen des Ukrainekriegs darf russische Kohle ab Ende August in der Schweiz nicht mehr gehandelt werden.

Die Schweiz hat hier wirklich einen Hebel, um die Finanzierung des russischen Kriegs in der Ukraine zu stoppen.
Autor: Robert Bachmann Rohstoffexperte Public Eye

Das hat Folgen für den Schweizer Rohstoff-Handelsplatz: Denn laut einer neuen Studie der NGO Public Eye werden rund 75 Prozent der russischen Kohlenexporte über die Schweiz gehandelt. Das Staatssekretariat für Wirtschaft Seco kann diese Zahl nicht bestätigen, spricht aber von einem «substantiellen Anteil» des russischen Rohstoffhandels, der über die Schweiz abgewickelt werde.

Für Robert Bachmann, den Rohstoffexperten von Public Eye ist deshalb klar, dass die Schweiz ein Schlüsselhandelsplatz ist: «Acht der neun grössten Produzenten von russischer Kohle haben hier ihre Exportgesellschaft. Die Schweiz hat hier wirklich einen Hebel, um die Finanzierung des russischen Kriegs in der Ukraine zu stoppen.»

Zuger Behörde will mehr Transparenz

Viele dieser Firmen gehören laut Public Eye kremlnahen Oligarchen. Die Unternehmen seien in der Schweiz, weil sie hier ideale Bedingungen vorfänden. «Das sind eben Dinge wie Steuervorteile, intransparente Besitzverhältnisse, hier werden nicht viele Fragen gestellt», sagt Bachmann weiter.

Man sollte vermehrt Transparenz schaffen.
Autor: Heinz Tännler Finanzdirektor Kanton Zug

Die Zuger Finanzdirektion bestätigt, dass ein grosser Teil der russischen Kohle in Zug gehandelt werde. Intransparente Besitzverhältnisse würden aber die Durchsetzung des Kohleembargos erschweren. Deshalb fordert Finanzdirektor Heinz Tännler weitere Massnahmen: «Man sollte noch vermehrt Transparenz schaffen. Wir haben bei juristischen Personen ganz generell optimierte Konstellationen, die nicht einfach zu überprüfen sind.»

Hat das Seco genügend Ressourcen?

Ist das zuständige Staatssekretariat für Wirtschaft Seco gut genug aufgestellt, um in der intransparenten Kohlebranche die Durchsetzung der Sanktionen zu überprüfen? Public Eye findet nicht: «Wir haben das Gefühl, dass die notwendige Datengrundlage, um den Handel zu überwachen und das Verbot konsequent umzusetzen, beim Seco nicht vorhanden ist.»

Für das, was wir machen können und wollen, haben wir die Ressourcen.
Autor: Erwin Bollinger Staatssekretariat für Wirtschaft Seco

Das Seco sieht es anders. Man habe genug Informationen und Personal für die Durchsetzung der Sanktionen, sagt Erwin Bollinger, Leiter Bereich Bilaterale Wirtschaftsbeziehungen: «Für das, was wir machen können und machen wollen, haben wir die Ressourcen.» Gegenwärtig seien beim Seco dafür rund 20 Leute im Einsatz. Das reiche, auch wenn es aktuell lange Arbeitstage gebe.

Parlament erhöht Druck

Die Durchsetzung der Sanktionen ist auch im Parlament Thema. Der Ständerat hat am Dienstag eine Motion zur Schaffung einer Taskforce für die Sperrung von Oligarchengelder zur näheren Prüfung an die zuständige Kommission überwiesen, der Nationalrat hatte das gleiche Anliegen letzte Woche noch abgelehnt.

So oder so hält die Kritik am Seco parteiübergreifend an. Nationalrätin Franziska Ryser von den Grünen betont: «Wir haben in den letzten Monaten gesehen, dass die Sanktionen nicht so umgesetzt worden sind, wie wir das alle gewünscht hätten. Ein Grund ist sicher, dass das Seco nicht genug Ressourcen und vor allem auch nicht die richtigen Instrumente hat.»

Auch auf bürgerlicher Seite wirft man dem Seco vor, nicht genügend aktiv für die Durchsetzung der Santionen zu sorgen. So sagt der Parteipräsident der Mitte, Gerhard Pfister: «Im Moment reicht es nicht, weil die politische Haltung beim Seco und bei Bundesrat Guy Parmelin nicht stimmt.» Wenn es nicht bessere, sei er persönlich bereit, über Transparenzbestimmungen nachzudenken.

Nächstes Jahr wird der Bundesrat voraussichtlich das Embargo gegen russisches Öl in Kraft setzen. Dann wartet noch mehr Arbeit auf das Seco, das bereits heute unter verschärfter Beobachtung steht.

10vor10, 15.06.2022, 21.50 Uhr

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