Inhalt und Ziel des Briefes: Die über 100 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fordern den Bundesrat auf, darzulegen, wie er den Beitrag der Schweiz an die internationale Klimafinanzierung erhöhen will. An der letzten Klimakonferenz in Baku versprachen die Industrieländer dem globalen Süden 300 Milliarden Dollar pro Jahr ab 2035, also dreimal mehr als bisher. «Die Schweiz wäre prädestiniert dazu, hier voranzugehen, weil sie die finanziellen Ressourcen hat und weil sie ihre eigenen Beiträge an die Klimafinanzierung sehr solide und transparent ausweist», meint Florian Egli, der an der TU München und an der ETH Zürich zur internationalen Klimafinanzierung forscht und den Brief mitunterzeichnet hat.
Der wachsende Bedarf an Klimafinanzierung: Die Klimaerwärmung verursacht weltweit wachsende Kosten, nicht nur für Massnahmen gegen den Ausstoss von CO₂, sondern auch zur Anpassung an die Erwärmung und zur Deckung von Schäden. Die Länder des globalen Südens können diese Kosten nicht alleine stemmen. Deshalb wurde 2009 vereinbart, dass die Industrieländer ab 2020 jährlich 100 Milliarden Dollar an Klimafinanzierung leisten sollen. Dieses Ziel wurde 2022 erreicht. Doch es reicht bei Weitem nicht aus. Auch die 300 Milliarden US-Dollar von Baku müssten aus Sicht der Wissenschaft noch mindestens verdoppelt werden.
Die Schweiz müsste ihren Beitrag folglich versechsfachen. Professor Florian Egli ergänzt: «Wichtiger als die Zahl ist die Art der Gelder. Wenn ‹nur› Kredite gewährt werden, hat das eine andere Qualität als Zuwendungen ‹à fonds perdu›.»
Der bisherige Beitrag der Schweiz: Je nach Berechnungsart hat die Schweiz im Jahr 2022 zwischen 600 Millionen (Bund) und 1.1 Milliarden (ODI) Franken an Klimageldern bezahlt. Der Bundesrat ist überzeugt, damit seine Verantwortung wahrzunehmen. Die Denkfabrik ODI bescheinigt der Schweiz gar, deutlich mehr zu zahlen als sie müsste. Klimaschutzorganisationen wiederum kritisieren den Schweizer Beitrag als ungenügend, weil bei der Berechnung die Emissionen der Schweiz im Ausland nicht berücksichtigt werden. Im internationalen Vergleich schneidet die Schweiz allerdings aktuell relativ gut ab.
Die politischen Chancen des Anliegens: Das Bundesamt für Umwelt Bafu schreibt zum Thema: «Der Bundesrat wird in der zweiten Jahreshälfte über die Umsetzungsarbeiten betreffend die internationale Klimafinanzierung entscheiden, inklusive die Prüfung von Optionen, wie die mobilisierten Mittel erhöht werden können.» Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind sich bewusst, dass ihr Anliegen keinen einfachen Stand hat, angesichts der Sparpolitik, die der Bund derzeit verfolgt. Woher die Gelder stammen sollen, führen sie in ihrem Brief nicht aus. Mitunterzeichner Florian Egli betont aber, dass ein ambitioniertes Vorgehen in der Klimafinanzierung der Schweiz verschiedene Vorteile böte.
Mögliche Vorteile für die Schweiz: «Die kleine Schweiz hat grosses Interesse an funktionierenden multilateralen Mechanismen. Wenn sie hier mit gutem Beispiel voranginge, könnte sie einen Beitrag leisten zur Stärkung eines solchen Mechanismus», ist Florian Egli überzeugt. Von öffentlichen Klimageldern in Ländern des Südens könnten letztlich auch Schweizer Unternehmen profitieren, zum Beispiel Versicherungen, wenn es darum geht, Lösungen zu finden für Schäden und Verluste, die der Klimawandel in Afrika verursacht.