Es ist Krieg in Europa, und die Schweizer Armee ist in mangelhaftem Zustand. Das räumt auch Bundespräsidentin Viola Amherd ein. Die Armee soll bis 2030 vier Milliarden Franken mehr erhalten. Die VBS-Vorsteherin sagt, woher das Geld kommen könnte und weshalb das Verteidigungsdepartement schon immer bedeutsam war.
SRF: Armeechef Thomas Süssli sagte, die konventionelle Verteidigungsfähigkeit der Schweiz läge auf einer Skala von 0 bis 10 bei «unter 5». Wo stehen wir Ihrer Meinung nach?
Viola Amherd: Ich teile die Meinung des Armeechefs.
Ein Zuschauer schreibt: «Die Schweizer Armee ist verteidigungsunfähig. Wie kann Viola Amherd eigentlich noch ruhig schlafen?»
Komplett verteidigungsunfähig sind wir nicht. Es kommt auf die Art des Angriffs an. In Sachen Cyberkriminalität haben wir in den vergangenen Jahren viel unternommen. Konventionell haben wir aber Nachholbedarf, weil man in den vergangenen 30 Jahren zu wenig in die Armee investiert hat. Und ich schlafe in dem Sinne ruhig, als dass ich alles dafür tue, was in meiner Macht steht, um eine Verbesserung zu erreichen.
In der Politik ist angekommen, dass es mehr Geld braucht. Woher soll es kommen? Wären Sie bereit, dem Schweizer Volk zu sagen, es müsse nun 0.4 Prozent mehr Mehrwertsteuer für die Landesverteidigung bezahlen?
Wenn das notwendig ist, bin ich dazu bereit. Aber man muss erst nach Alternativen suchen. Man kann den Bürgerinnen und Bürgern nicht immer mehr aufbürden. Wir müssen nach Einsparpotenzial suchen und alle Optionen offen lassen.
Glauben Sie wirklich, dass Sie vier Milliarden Franken in diesem Haushalt finden können? Wenn so viel Geld übrig wäre, würde ja sehr schlecht gemanagt. Man muss doch heute schon sagen, dass das unmöglich ist.
Der Bundesrat hat den Zahlungsrahmen so festgelegt, dass der Wachstumspfad bis 2035 geht. So ist es in der Finanzplanung ohne Steuererhöhung möglich.
Steuererhöhungen sind nicht die beste Option.
Wenn man aber die Verteidigungsfähigkeit schneller herstellen und den Wachstumspfad bis 2030 erreichen will, brauchen wir Alternativen. Es gibt davon nicht unglaublich viele: Erstens Steuererhöhung – was nicht die beste Option ist. Zweitens Einsparungen. Drittens mehr Schulden machen – aber auch das ist nicht attraktiv. Das Parlament diskutiert aktuell Lösungen dazu.
Doch das Parlament kann sich nicht einigen. Nun hat die Sicherheitskommission den «heissen Apfel» wieder der Finanzkommission zugeschoben. Das ist doch peinlich. Müssten Sie nicht Leadership zeigen und sagen, was gemacht werden soll?
Der Bundesrat hat Leadership gezeigt und gesagt: ein Prozent des BIP bis 2035. Und es ist noch gar nicht lange klar, dass man der Armee überhaupt mehr Geld zur Verfügung stellen will. Es ist schon ein Erfolg, dass man das geschafft hat.
Sie haben das Gewicht des VBS enorm erhöht. Es gibt neuerdings das Staatssekretariat für Sicherheitspolitik und das Bundesamt für Cybersicherheit. Und es bekommt als einziges Departement mehr Geld. Ihre Nachfolger werden sich die Finger lecken nach dem VBS.
Davon gehe ich nicht aus. Aber das VBS war schon immer ein wichtiges Departement. Es ist für die Sicherheit der Bevölkerung zuständig. Man hat es nur nicht so wahrgenommen. Für uns in der Schweiz war selbstverständlich, dass wir in Sicherheit und Freiheit leben können. Jetzt, da wir einen Krieg auf dem europäischen Kontinent haben, hat sich dieses Bewusstsein geändert.
Das Gespräch führte Reto Lipp.