Dieser Tage wurde im Zürcher Hallenstadion und der Basler St. Jakobshalle das bekannte volkstümliche Stück aufgeführt: Kleinaktionäre waschen Grosskapitalisten die Kappe. Die Aufführungen vermitteln den Eindruck, es gebe so etwas wie eine Aktionärsdemokratie. Denn es ging ziemlich zur Sache an den Generalversammlungen der Credit Suisse und der UBS: hohle Nüsse wurden dem Management überreicht, Lieder mit moralschweren Strophen intoniert, vor der Halle symbolische Schiffe zum Kentern gebracht.
Diese sogenannte Aktionärsdemokratie, sie hat einen gewissen Unterhaltungswert. Doch der Begriff selbst ist hohl und führt in die Irre. Demokratie, so steht es etwa im Historischen Lexikon der Schweiz, ist eine «Staatsform, in welcher (…) die Gesamtheit der vollberechtigten Bürger, nicht ein Einzelner oder eine kleine Gruppe Mächtiger, die Staatsgewalt innehat».
Vor dem Notrecht sind alle gleich
So weit, so bekannt. Und Aktionärsdemokratie? Dort gilt zwar heute bei den meisten Unternehmen die Maxime «one share, one vote»; eine Aktie, eine Stimme. Doch das Sagen hat eine kleine Gruppe: die Grossinvestorinnen und Grossinvestoren. Wer mehr einzahlt, befiehlt. Und hat einen direkten Draht zur Teppichetage der Unternehmen. Wird vom Management bei Laune gehalten. Diskret, unter Ausschluss der breiteren Öffentlichkeit.
Wohin dies im schlimmsten Fall führen kann, zeigt der Fall Credit Suisse exemplarisch. Es ist aus heutiger Sicht nur schwer nachvollziehbar, wie es dem CS-Management gelang, grosse Investoren so lange hinzuhalten und immer wieder neue Geldquellen aufzutun für eine nächste Kapitalerhöhung. Immerhin hier scheint eine gewisse Expertise in der CS-Chefetage vorhanden gewesen zu sein, muss man in zynischer Weise feststellen.
Bei der Rettung der CS sassen für einmal die Grossinvestorinnen mit den Kleinaktionären im selben Boot, als unter Anwendung von Notrecht die Einverleibung der CS in die UBS beschlossen wurde. Mitreden konnte weder Klein noch Gross, es musste schnell gehen. Kleinaktionärinnen und Grossinvestoren für einmal im selben Boot; ausgleichende Gerechtigkeit also? Das greift zu kurz. Und wäre angesichts des entstandenen Schadens und der vielen Leidtragenden eine pietätlose Haltung.
Interessenausgleich läuft ins Leere
Generalversammlungen wären die ideale Bühne für den Interessenausgleich zwischen Klein und Gross im Aktionariat einer Firma. Doch davon ist – auch nach Umsetzung der Minder-Initiative – wenig zu spüren. Die engagierten Voten prallen an der Bühne ab und finden kaum Widerhall in den Abstimmungsresultaten.
Kleinaktionäre sind mit ihren Mitteln auch nur kleine Kunden für eine Bank. Doch wenn deren Vertrauen wegen diverser Management-Fehler weg ist, kann das passieren, was mit der CS geschehen ist. Der jüngste Bankenskandal der Schweiz böte die beste Gelegenheit für die Diskussion, wie die Generalversammlung wirklich zum Ort des Interessenausgleichs zwischen Grossinvestoren, Kleinanlegerinnen und Management werden kann. Etwa indem die Kleinaktionäre als Gruppe nicht nur einmal im Jahr an der GV mit dem Management in den direkten Austausch treten können. Vielleicht lässt sich darauf, der Begriff «Aktionärsdemokratie» vom Müllhaufen der Geschichte zurückholen.