Das Zähneknirschen im Oval Office war unüberhörbar. Ohne seinen Namen direkt zu nennen, knüpfte sich Warren Buffett den amerikanischen Präsidenten vor. «Handel sollte keine Waffe sein», sagte der Starinvestor an der Generalversammlung seiner Holding Berkshire Hathaway.
Umso gewichtiger erschien die Wortmeldung, als Buffet traditionell Abstand zu Washington hält. Und an diesem Samstag verkündete, dass er sich nach 55 Jahren an der Spitze seiner legendären Investmentfirma aus dem Tagesgeschäft zurückziehen wolle. Es ist das Ende einer Ära.
«Die Zeit ist gekommen»
Der «Jahrhundertkapitalist», wie ihn seine Biografin Gisela Baur nennt, erklärte seinen Rückzug vor Zehntausenden Fans in seiner Heimatstadt Omaha. «Die Zeit ist gekommen, um den Stab an meinen Nachfolger weiterzureichen», sagte Buffett. Es waren schlichte Worte, vorgetragen mit heiserer Stimme, passend zur bodenständigen Aura des Multimilliardärs.
Baur beschreibt, wie Grossaktionäre mit Tränen kämpften und sich eine bedrückende Stille über die Arena legte – und dann minutenlanger Applaus losbrach. «Dass ihr meinen Abgang so feiert, kann man unterschiedlich interpretieren», scherzte Buffett.
In den 1960er-Jahren kaufte Buffett die kleine Textilfirma Berkshire. Der Rest ist Geschichte. Mit einmaligem Gespür investierte er in unterbewertete Unternehmen. Heute hält er auch bedeutende Anteile an Börsengiganten wie Apple oder American Express.
Sein Aufstieg war aufs Engste verknüpft mit demjenigen der USA, die nach dem Zweiten Weltkrieg einen gewaltigen Wohlstandszuwachs erlebten. Warum aber wurde aus dem Financier eine derart schillernde Figur?
Mit analytischer Schärfe habe Buffett eine Methode entwickelt, wie man am Aktienmarkt investieren kann, sagt Baur. «Er hat diese Methode ständig verfeinert und weiterentwickelt – und damit unglaublich viel Geld verdient.»
Gleichzeitig verstehe es Buffett, sein Erfolgsrezept unterhaltsam zu erklären. Humor, Schlagfertigkeit und «ein komplettes Wertesystem», wie es die Journalistin nennt: Buffett gilt auch als das freundliche Gesicht des Kapitalismus.
Lebensweisheiten an der GV
«Dabei hat er Aktien als das behandelt, was sie sind: als Anteile an Unternehmen. Er hat in Konzerne wie Apple investiert, als wäre es die Metzgerei seiner Nachbarn», sagt seine Biografin. Buffetts Devise: Das Geschäftsmodell muss überzeugen, krisenfest sein und einen realwirtschaftlich begründeten Wert haben.
Sein Unternehmen führt Buffett nicht aus dem Silicon Valley oder aus New York, sondern aus der Provinz. Ein Grund dafür, dass der alte Mann aus Omaha von vielen Menschen verehrt wird – über die politischen Lager hinweg.
Warren Buffett hat gezeigt, dass man erfolgreich investieren kann, ohne der Gesellschaft etwas Böses zu tun.
Heute hat sein Name nicht nur in Wirtschaftskreisen Legendenstatus. Auch die Generation Tiktok feiert ihn wie einen Guru, der Antworten auf alle Fragen des Lebens parat hat – stets mit Kirsch-Cola auf dem Podium.
Nun verliert das «Woodstock der Kapitalisten» seine Galionsfigur. «Und die Börsenwelt eine sehr starke, rationale Stimme», sagt Baur. Klar ist, was mit Buffetts Vermögen passieren wird: Der Philanthrop will nach seinem Tod fast alles verschenken.
Aus seinem Nachlass wird die grösste gemeinnützige Stiftung der Welt hervorgehen, geführt von seinen drei Kindern.
Für Baur wird Buffett aber vor allem ein Erbe hinterlassen: «Er hat gezeigt, dass man erfolgreich investieren kann, ohne der Gesellschaft etwas Böses zu tun.»