Wer möchte schon, dass die eigene Kreditkartenabrechnung oder gar die Krankengeschichte in fremde Hände gelangt? Solche Informationen sind privat und sensibel. Genau solche Informationen wurden der «Süddeutschen Zeitung» aber zugespielt.
Betroffen sind Schuldner, die mit der Inkasso-Firma «EOS Schweiz» zu tun haben oder hatten. Es geht um zehntausende Schuldner, die grösstenteils in der Schweiz wohnen. Wie genau die Daten zur Zeitung gelangt sind, ist noch unklar. Die EOS hat trotz intensiven internen Abklärungen bis jetzt noch kein Datenleck gefunden, wie sie auf Anfrage sagt.
Es gilt ein Berufsgeheimnis
Der Eidgenössische Datenschutz-Beauftragte Adrian Lobsiger ist alarmiert. Für ihn stellt sich die Frage, welche Daten die Inkasso-Firma überhaupt braucht, um bei säumigen Zahlern das Geld für offene Rechnungen einzutreiben. Krankengeschichten oder seitenlange Kreditkarten-Abrechnungen gehören seines Erachtens nicht dazu. Schliesslich unterliegen Ärzte einem Berufsgeheimnis: «Er darf die Personendaten des Patienten nur mit schriftlicher Einwilligung weitergeben und muss dafür besorgt sein, dass die Inkassofirma nur das an Daten bekommt, was sie unbedingt benötigt.»
Ein Arzt darf die Personendaten des Patienten nur mit schriftlicher Einwilligung weitergeben und muss dafür besorgt sein, dass die Inkassofirma nur die Daten bekommt, die sie unbedingt benötigt.
Ähnlich sieht es übrigens für Anwälte oder Treuhänder aus: Auch sie unterliegen einem Berufsgeheimnis. Sie müssen sich von ihren Kunden, Klienten oder Patienten von diesem Geheimnis entbinden lassen, wenn sie genau darlegen, wem sie welche Daten wozu offenlegen wollen.
Wer schuldet wem wieviel?
Reicht es also, wenn eine Inkasso-Firma weiss, wer wem wieviel Geld schuldet? Datenschützer Lobsiger sagt ja. Hier widerspricht Patrick Kneubühl. Er ist bernischer Fürsprecher und Sprecher des Branchenverbandes VSI, der die Inkasso-Branche vertritt. Man mache beim Geldeintreiben schneller Fortschritte, wenn man direkten Kontakt aufnehme, sagt er. Dabei werde man häufig aufgefordert, die Schulden zu belegen. «Dann ist es immer gut, wenn man über diese Daten verfügt und im Einzelfall aufzeigen kann, welche Dienstleistungen bezogen wurden.»
Es ist gut, wenn man über diese Daten verfügt und im Einzelfall aufzeigen kann, welche Dienstleistungen bezogen wurden.
Laut Kneubühl müsse die Inkasso-Firma dem Schuldner gegenüber belegen können, dass er oder sie tatsächlich eine Rechnung nicht beglichen hat. Datenschützer Lobsiger hingegen sagt, es reiche aus, wenn Inkasso-Firmen bei strittigen Rechnungen die benötigten Informationen nachträglich punktuell beim Geldempfänger einholen würden. «Man kann die Unterlagen beim Arzt anfordern. Dabei kann dieser auch die Gesundheitsdaten abdecken.» Es gebe dabei verschiedene Möglichkeiten und das Verhältnismässigkeitsprinzip müsse eingehalten werden.»
Änderungen bei den Inkasso-Büros
Lobsiger wehrt sich schon seit längerem dagegen, dass Inkasso-Firmen sensible Daten horten. So sass er im letzten Herbst mit der Ärzteverbindung FMH zusammen. «Wir hatten Hinweise von Patientinnen und Patienten, die gesagt haben, dass sie ein ungutes Gefühl haben, was mit ihren Daten geschieht, die zum Inkasso-Büro weitergegeben werden.»
Die beiden wichtigsten Anbieter in diesem Bereich – die Ärztekasse und Swisscom Health – wollen nun transparenter darlegen, wem sie welche Daten zu welchem Zweck weiterleiten. Auch die EOS Schweiz will ihre Prozesse überdenken. Bis jetzt habe man einfach alle Daten gespeichert, die man von den Auftraggebern bekommen habe. Das wolle man künftig vielleicht ändern, so die Inkasso-Firma auf Anfrage.