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Der grosse Nachbar geht voran Das bedeutet Deutschlands Energiewende für die Schweiz

Das AKW Mühleberg ist abgestellt und in Deutschland geht an Silvester das Atomkraftwerk Philippsburg 2 bei Karlsruhe vom Netz. Bis Ende 2022 will Deutschland keinen Atomstrom mehr produzieren. Wo kommt die Energie künftig her? Und was heisst das für die Schweiz? Antworten von SRF-Wirtschaftsredaktor Matthias Heim.

Matthias Heim

Wirtschaftsredaktor

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Matthias Heim hat Wirtschaftsgeschichte studiert. Seit 2007 arbeitet er für Radio SRF, seit 2016 ist er Wirtschaftsredaktor. Seine Spezialgebiete sind Aviatik, Tourismus, Verkehr, Detailhandel und Energie.

SRF News: Woher bezieht Deutschland den Strom, wenn nicht aus Atomkraftwerken?

Matthias Heim: Der Strom kommt immer häufiger aus erneuerbaren Quellen, vor allem aus Windparks. In Deutschland drehen inzwischen über 30'000 Windräder. Und die Windparks sind dieses Jahr erstmals überhaupt zur grössten Stromquelle in Deutschland aufgestiegen. Sie haben nicht nur den Atomstrom, sondern selbst die Kohle verdrängt. Diese war lange Deutschlands grösster Stromlieferant.

Deutschland will weg von Kohle- und Atomstrom. Das ist politisch so entschieden. Heisst das, die Energiewende ist auf Kurs?

Grundsätzlich ist das so. Und die Entwicklung in Deutschland ist eindrücklich: Noch vor knapp 20 Jahren hat der Strom aus Wind, Wasser und Sonne rund 6 Prozent zur Stromproduktion beigetragen. Dieses Jahr werden es gemäss Bundesumweltamt bereits 42 Prozent sein.

Windpark
Legende: Deutschland macht vorwärts mit der Energiewende. Es könnte zum Härtetest für den ganzen Kontinent werden. Keystone

Eine wichtige Frage ist allerdings noch offen: Werden die erneuerbaren Energiequellen stets genügend Strom liefern können? Jetzt stehen ja noch Atomkraftwerke und Kohlekraftwerke bereit, falls die Sonne nicht scheint oder der Wind nicht bläst.

Mit dem Umbau von Deutschlands Stromproduktion werden möglicherweise weite Teile Europas einem Härtetest unterzogen.

Deutschland könnte in Zukunft aber allenfalls auch auf den Strom in den umliegenden Ländern zurückgreifen: auf die Kernkraftwerke in Frankreich oder die Kohlekraftwerke in Polen.

Und was bedeutet diese Entwicklung für die Schweiz?

Deutschland hat in den vergangenen Jahren mehr Strom produziert als es benötigt. Einen Teil davon hat es exportiert. Auch die Schweiz bezieht regelmässig Strom aus Deutschland. Gerade im Winter, wenn die inländische Produktion zu gering ist. Die Frage für die Schweiz wird sein: Kann – und vor allem zu welchem Preis – sie künftig Strom in Deutschland beziehen? Vor allem, wenn dort weniger Strom produziert werden sollte, weil eben die verbleibenden sechs AKW ebenfalls vom Netz gehen. Mit dem Umbau seiner Stromproduktion wird möglicherweise nicht nur Deutschland einem Härtetest unterzogen, sondern weite Teile Europas.

Das Gespräch führte Teresa Delgado.

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