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Der nächste Trend aus China Teleshopping wie in den 80ern – aber auf dem Handy

In China ist Livestream-Shopping ein Milliardengeschäft. Erste Schweizer Anbieter springen auf, aber es gibt Tücken.

Der neue Einkaufstrend kommt im breiten Appenzeller Dialekt daher – live aus dem Modehaus Goldener in Appenzell. Zwei Angestellte präsentieren Wintermäntel vor der Kamera, welche mitten im Geschäft aufgestellt ist. Potenzielle Kundinnen und Kunden können von überall her auf dem Smartphone zuschauen, Fragen stellen, Kommentare abgeben und - das Ziel der ganzen Aktion - die Ware später kaufen.

Das alles erinnert an die Teleshopping-Sendungen aus den 1980er Jahren, nur eben: mit direktem Kontakt zur Kundschaft. Dieses Livestream-Shopping ist in China ein Milliardengeschäft. Je nach Quelle werden bis zu 20 Prozent des Umsatzes im chinesischen Online-Handel über Livestream-Shopping-Apps erzielt. Umsatz, der nicht mehr über konventionelle Online-Shops getätigt wird.

Aufbau der Fangemeinde soll sich jetzt auszahlen

Beim Appenzeller Modehaus ist der Anteil deutlich kleiner. Geschäftsführerin Nadja Goldener sieht aber Potenzial: «Wir haben uns vor 10 Jahren bewusst gegen einen herkömmlichen Online-Shop entschieden, stattdessen posten wir täglich Beiträge und Filme in den sozialen Medien». So habe sie eine Fangemeinde aufgebaut – die sie neuerdings auch mit Livestream-Shopping bedient.

Alexandra Scherrer ist überzeugt: Livestream-Shopping wird auch in der Schweiz zu einem wichtigen Vertriebskanal. Scherrer ist Chefin des Unternehmensberaters Carpathia, spezialisiert auf Online-Handel. Der grosse Vorteil gegenüber dem früheren Teleshopping sei der unmittelbare Kontakt mit den Kundinnen und Kunden, und zwar in beide Richtungen.

Technologisch ist China voraus

Allerdings sieht Scherrer auch Hürden, insbesondere technologische. «In China kann man die Produkte auf den Livestream-Plattformen direkt kaufen, ohne dass man auf eine zusätzliche Bezahl-Plattform umgeleitet wird. Das ist in der Schweiz noch nicht möglich».

Ganz abgelöst würden herkömmliche Online-Shops ohnehin nicht. Produkte des täglichen Bedarfs, insbesondere Lebensmittel, würden auch künftig nicht über Livestream-Shops verkauft, «denn dort muss es schnell gehen, es braucht keine Unterhaltung dazu».

Nadja Goldener sieht eine weitere Hürde: Wer so verkaufen will, muss die Scham ablegen. «Man ist live, man muss mutig sein, jeden Patzer, der uns vor der Kamera passiert, bekommen die Kunden mit».

Tagesschau, 26.11.2021, 18 Uhr

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