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Die andere Sicht «Die Welt braucht mehr Migration»

Einwanderung ist ein heisses Eisen. Der britische Ökonom Ian Goldin vertritt am WEF eine provokative These.

Die Zukunft von Europa hängt von der Migration ab – davon ist Oxford-Professor Ian Goldin überzeugt: «Die Produktivität der europäischen Wirtschaft ist noch halb so gross wie vor der Jahrtausendwende. Das hat mit der Überalterung der Arbeitsbevölkerung zu tun, aber auch, weil die Dynamik fehlt. Europa kann nicht mit dem Silicon Valley mithalten.»

Er verweist zudem auf Städte wie London, Melbourne, Vancouver oder Toronto. Dort lebten 30, 40 oder gar 50 Prozent Migranten – gut und weniger gut ausgebildete. Und diese Städte seien gerade deshalb derart produktiv.

Ian Goldin

Professor für Globalisierung und Entwicklung, Universität Oxford

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Der in Südafrika geborene britische Professor Ian Goldin ist Gründungsdirektor der Oxford Martin School, die sich sozialwissenschaftlicher Forschung widmet. Der mehrfache Buchautor war in den Jahren 2003 bis 2006 zudem Vizepräsident der Weltbank.

Der ehemalige Weltbank-Vizepräsident spricht bewusst von «Migranten» und nicht von «Flüchtlingen». Bei Flüchtlingen stünden humanitäre Überlegungen im Vordergrund, bei Migranten hingegen ökonomische.

Migrantinnen und Migranten seien wichtig für westliche Volkswirtschaften: «Der Vorwurf, dass Migranten nur kommen, um unser Sozialsystem zu missbrauchen, basiert nicht auf Fakten.»

Migranten kommen typischerweise, wenn sie ins Arbeitsleben eintreten, und sie gehen wieder, wenn sie aufhören zu arbeiten.

Im Gegenteil: Ian Golding geht sogar so weit zu sagen, Migranten zahlten mehr ins Steuersystem ein, als dass sie an Leistungen etwa für die Ausbildung oder für die Altersvorsorge beziehen würden. Denn: «Migranten kommen typischerweise, wenn sie ins Arbeitsleben eintreten, und sie gehen wieder, wenn sie aufhören zu arbeiten.» Das gelte für alle westlichen Volkswirtschaften.

Ian Goldin räumt allerdings ein, dass sich nicht alle Migrantinnen und Migranten gleich einfach in den Arbeitsmarkt integrieren lassen – das hänge davon ab, wie gut vertraut sie mit der neuen Kultur seien und wie gut sie die Sprache sprächen.

Die untersten 10 Prozent leiden unter der Migration.

Bloss: Politisch stehen die Zeichen momentan klar auf Abschottung. Zahlreiche westliche Länder machen ihre Grenzen zu statt auf. Die ansässige Bevölkerung fühlt sich bedrängt.

Baustelle mit Arbeiter
Legende: Bau, Gesundheitssektor, Gastronomie: Einige Schweizer Branchen sind stark von zugewanderten Arbeitskräften abhängig. Keystone

Einige auch zu Recht: Denn es gibt tatsächlich auch Verlierer, wie Professor Goldin einräumt: «Es gibt eine Gruppe der arbeitstätigen Bevölkerung, die unter der Migration leidet. Das sind die untersten 10 Prozent der Arbeitstätigen, also die schlecht Ausgebildeten. Bei diesen untersten 10 Prozent stehen die Löhne unter Druck, weil sie durch besser qualifizierte Migranten bedrängt werden.»

Goldin schlägt als Lösung Mindestlöhne vor – verbindlich für In- und Ausländer. Und er empfiehlt den Staaten, nur diejenigen Migranten ins Land zu lassen, die die Volkswirtschaft tatsächlich braucht.

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