Das Digitalisierungsfieber hat unterdessen auch die Pharmabranche erfasst – ein Industriezweig, der sich den neuen digitalen Technologien lange nur zögerlich näherte.
Doch die grossen Pharmakonzerne stehen unter Zugzwang, wenn sie nicht Marktanteile an Digital-Startups verlieren wollen. Deshalb beschleunigen die etablierten Player das Tempo: «Wir werden uns von einer Pharmafirma zu einem Pharma- und Datenanalyseunternehmen wandeln. Dafür brauchen wir neue Talente, vielleicht auch neue Standorte», sagt etwa Vas Narasimhan, Entwicklungschef von Novartis.
Novartis als digitaler Vorreiter
Der Basler Pharmariese hat heute seine Halbjahreszahlen präsentiert: Unter dem Strich steht ein Gewinn von 3,6 Milliarden Dollar. Das ist zwar weniger als im Vorjahreshalbjahr, aber mehr als erwartet. Dieses Geld investiert die Konzernleitung um Geschäftsführer Joe Jimenez auch in digitale Technologien. Und das wird wahrgenommen: Laut der britischen Wirtschaftszeitung Financial Times gilt Novartis als digitaler Vorreiter der globalen Pharmaindustrie.
Joe Jimenez verspricht sich viel von diesen Investitionen: «Daten werden die Art und Weise, wie wir forschen und wie wir verkaufen komplett verändern.» Dafür müssen Patienten allerdings ihre persönlichen Gesundheitsdaten zur Verfügung stellen. Die Vernetzung über mobile Geräte und die Erfassung der Daten via Apps bieten vielversprechende Voraussetzungen.
Geben die Patienten ihre Daten freiwillig?
Dabei sieht Jimenez keine Schwierigkeiten: «Wir sind überzeugt, dass viele Patienten ihre Daten gerne zur Verfügung stellen, wenn sie damit zum Fortschritt der Medizin beitragen.»
Franziska Sprecher, Assistenzprofessorin für öffentliches Recht an der Universität Bern und Stiftungsrätin der Schweizerischen Stiftung SPO Patientenschutz, weist darauf hin, dass sich der Patient in der deutlich schwächeren Position befinde: «Es stellt sich die Frage, ob die Patienten wissen, wofür sie einwilligen. Eine Einwilligung ist nur dann gültig, wenn ihr genügend Aufklärung vorausging.» Was sind die Gefahren? Sprecher sagt: «Die Daten können schlecht gesichert sein und in falsche Hände geraten.»
Novartis-Entwicklungschef Narasimhan betont: «Wir müssen zeigen, dass wir die Patientenrechte respektieren und die Daten in jedem Fall vertraulich behandeln. Und natürlich brauchen wir Daten nur, wenn gut informierte Patienten eingewilligt haben.»
Von der Datenanalyse mit künstlicher Intelligenz verspricht sich Narasimhan nicht nur Fortschritt in der Forschung, sondern letztlich auch ein Beitrag zur Senkung der Gesundheitskosten. Denn mit den digitalen Technologien und Daten könne man die Medikamente viel effizienter nur jenen Menschen verabreichen, die wirklich auf sie ansprechen.