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Digitales Contact-Tracing Der Mann, der die Corona-App baut

Mathias Welllig entwickelte für den Bund die SBB- und Wetter-Apps. Jetzt dieser Millionenauftrag – ohne Ausschreibung.

Vielen hat Corona die Chance zu arbeiten genommen. Dem Informatiker Mathias Wellig beschert Corona dagegen viel Arbeit. Sein Arbeitstag im Home-Office hat 13 Stunden. Die verbleibende Zeit gehört seiner Frau und den zwei Kindern.

Der 33-Jährige ist Mitinhaber und Chef von Ubique, dem Unternehmen, das für den Bund die Contact-Tracing-App zusammen mit den technischen Hochschulen Zürich und Lausanne entwickelt. Diese Woche startet die Testphase für die App.

Büros an bester Lage

Aufgewachsen im Wallis, konnte Wellig es als jugendlicher Snowboarder kaum erwarten, bis der erste Schnee fiel. Also begann er, das Wetter zu studieren. Später entwickelte er die App für MeteoSchweiz, den Wetterdienst des Bundes.

Sieben Jahre sind seither vergangen. Heute hat er seine Büros in Zürich unweit vom Hauptbahnhof. Das macht sein Unternehmen attraktiv für Pendler und Studenten der nahen ETH. Büromiete pro Monat: 28'000 Franken.

Gut fürs Image

Die Corona-App soll das nächste grosse Ding werden. In eineinhalb Monaten war sie gebaut. Normalerweise dauert dies bis zu einem Jahr. Entwicklung, Wartung und Support bringen Ubique im besten Fall 1,8 Millionen Franken Umsatz vom Bundesamt für Gesundheit ein.

Umsatzmässig sei das Projekt nicht extrem relevant. «Der Markt sieht gut aus, wir könnten viele Projekte machen», sagt Wellig. Wichtiger sei, «den Beweis zu erbringen, dass wir in der Lage sind, diese App zu entwickeln». Kurz: Marketing.

Millionen-Auftrag ohne Ausschreibung

Zahlreiche Apps, etwa für die SBB, für Bundesämter und Hochschulen, hat Ubique entwickelt. Im Wettbewerb der Software-Anbieter hilft ein guter Draht in die Verwaltung.

Für die Corona-App musste sich Ubique nicht einmal bewerben. Nachfrage beim Bundesamt für Gesundheit (BAG): ein Auftrag über 1,8 Millionen Franken ohne Ausschreibung?

Die Antwort überrascht. Ubique könne «als einziges Unternehmen rasch die dringend benötigte Proximity-Tracing-App entwickeln». Dies, weil Ubique eng mit der ETH Lausanne an der Entwicklung des Ansatzes der App und an der software-seitigen Umsetzung zusammengearbeitet habe.

Wegen der kurzfristig kommunizierten Lockerungen und der Dringlichkeit sei man gezwungen gewesen, die App im freihändigen Verfahren zu beschaffen, schreibt das BAG. Und verweist auf Artikel 13 der Verordnung über das öffentliche Beschaffungswesen (unvorhersehbare Ereignisse, Dringlichkeit).

Apple und Google sind auch beteiligt

Die App ist nicht unmstritten. Die einen sagen, sie komme zu spät. Andere sehen den Datenschutz in Gefahr, weil Google und Apple die Finger im Spiel haben. Sie müssen die App auf Geräten mit ihren Systemen zulassen und dafür eine Schnittstelle öffnen.

Auf die Frage, ob die US-Konzerne Daten abziehen und für andere Zwecke missbrauchen könnten, sagt Wellig: «Die Architektur der Schnittstellen, welche Apple und Google uns zur Verfügung stellen, ist klar darauf ausgelegt, dass die Daten lokal auf dem Smartphone bleiben».

Deutsch Pflicht, Schweizerdeutsch erwünscht

Ubique als App-Entwicklerin der Nation. Zu diesem Image trägt bei, dass Wellig nur Mitarbeiter einstellt, die Deutsch sprechen, im Idealfall Schweizerdeutsch. Obschon es ohnehin schwierig sei, gutes Personal zu finden und Ubique fast permanent offene Stellen habe.

Wellig kann Ansprüche stellen, er hat es weit gebracht in der Branche.

ECO, 18.05.2020, 22.25 Uhr

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