Sobald ein neuartiges Medikament zugelassen ist, kann man es auch verkaufen. Das klingt einfach, ist aber nicht die Praxis. Denn nach der Zulassung folgen oft zähe Preisverhandlungen zwischen Hersteller und Bundesamt für Gesundheit (BAG).
Das ist vor allem bei innovativen Medikamenten von Bedeutung, etwa neuartige Gen- und Zelltherapien, die Patientinnen und Patienten mit Krebs oder seltenen Gesundheitsstörungen Hoffnung geben.
Schwung mit provisorischem Preisschild
Der Pharmaindustrie möchte das System nun umstellen: «Man misst heute Medikamente aus dem 21. Jahrhundert noch mit Prozessen aus dem vorigen Jahrhundert», sagt Vincent Gruntz, Chef Onkologie bei Novartis Schweiz. Das BAG fokussiere zu stark auf die Kosten und zu wenig auf den Nutzen.
Das BAG fokussiert zu stark auf die Kosten und zu wenig auf den Nutzen.
Konkret schlägt die Pharmaindustrie vor, dass ein Medikament gleich bei der Zulassung ein provisorisches Preisschild bekommt. So würden laut Gruntz die Preisverhandlungen nicht mehr auf dem Rücken von Patientinnen und Patienten ausgetragen : Industrie, BAG und Krankenkassen müssten sich einigen. Werde später ein tieferer Preis ausgehandelt, müssten die Mehreinnahmen von den Unternehmen zurückerstattet werden.
BAG verweist auf Einzelfall-Lösungen
Die Preisverhandlungen dauerten so lange, weil die Pharmakonzerne zu hoch in diese einstiegen, erwidert Jonas Montani vom BAG: «Die Preisvorstellungen der Pharma liegen oft weit über den gesetzlich vorgegebenen Preisfestsetzungskriterien.» Das BAG müsse zudem die gesamten Gesundheitskosten Auge behalten.
Montani betont, dass ein Medikament in dringenden Fällen verschrieben werden kann, bevor ein Preis feststeht. So könnten Patienten respektive Ärztinnen bei den Krankenkassen Einzelfall-Lösungen beantragen.
Dieser Weg werde tatsächlich oft gewählt, aber nicht immer, bestätigt der Gesundheitsökonomen Simon Wieser von der Zürcher Hochschule ZHAW. Es sind also zahlreiche Einzelfälle. Auch Sicht der Pharmaindustrie verursacht das aber bürokratischen Aufwand und Ungleichheit, weil jede Krankenkasse einzeln entscheidet.
BAG befürchtet zähe Nachverhandlungen
Das BAG anerkennt einen gewissen Handlungsbedarf und will das Einzelfall-System partiell anpassen. Auch bei den regulären Preisverhandlungen seien Verbesserungen möglich. So könnten sich etwa Experten beider Seiten mit Blick auf den Preis schon vor dem offiziellen Gesuch austauschen.
Das ganz neue Modell mit provisorischem Preis und Rückerstattungsmöglichkeit beurteilt das BAG aber skeptisch. So wird befürchtet, dass ein provisorisch gesetzter Preis kaum mehr umgestossen werden kann.
Pharma: Verhandlungszeit beschränken
Für diesen Einwand hat Gesundheitsökonom Wieser Verständnis: «Es macht für das BAG die Preisverhandlungen schwieriger, weil ein relativ hoher Anfangspreis verankert wird. Danach muss das BAG begründen, warum das Medikament weniger kosten soll.»
Damit nicht unendlich verhandelt wird, will die Pharmaindustrie die Verhandlungszeit auf ein Jahr beschränken und dann den Fall an ein Schiedsgericht übergeben.
Auf den ersten Blick sehe das einfach aus, werde in Wirklichkeit aber nicht so einfach sein, schätzt Wieser. Mit provisorischen Preisen würden Medikamente zwar schnell allen Patientinnen und Patienten zu den gleichen Bedingungen zugänglich. Doch was das letzlich für die gesamten Kosten bedeute, müsste die Praxis zeigen. Ob es überhaupt zu einem Testlauf kommt, ist derzeit noch ungewiss.