Nudeln, Reis, Brot, Butter und Putzmittel: Schon in fünf Jahren werden zehn Prozent der Leute in der Schweiz solche Produkte nicht mehr im Laden einkaufen. Sie werden sie online über einen Sprachassistenten bestellen, glaubt Georges Roos, der in Luzern ein Zukunftsforschungsinstitut betreibt. Nach der mündlichen Bestellung erfolgt die Lieferung automatisch nach Hause.
Für die Detailhändler bedeutet das, dass ein einfacher Onlineshop nicht mehr genügt. Damit die Kunden über Sprachassistenten einkaufen können, müssen sie für ihre Online-Plattformen entweder selber einen intelligenten Assistenten entwickeln, oder zumindest sicherstellen, dass ihre Onlineshops über die Sprachassistenten der grossen Konzerne Google, Amazon, Apple & Co. aufgerufen werden können.
Kooperieren mit Amazon & Co.?
«Die Schweizer Detailhändler werden wahrscheinlich mit den US-Techgigangten kooperieren müssen», sagt Thomas Hochreutener, Detailhandelsexperte beim Forschungsinstitut GfK Switzerland. Der Schweizer Markt sei schlichtweg zu klein, um eigene sprachgesteuerte Systeme zu entwickeln.
Beim Grossverteiler Coop ist momentan noch nichts Derartiges vorgesehen. «Für uns ist derzeit wichtig, weiter auf den Stärken aufzubauen, die wir haben», sagt Reto Conrad, Mitglied der Geschäftsleitung und Leiter Informatik. Zurzeit sei keine Zusammenarbeit mit den Sprachassistenten geplant. Deshalb setzt Coop verstärkt auf das herkömmliche Onlinegeschäft, wie jüngst etwa mit einer Onlinekäsetheke.
Der Druck könnte schnell zunehmen
Nicht zum Thema äussern wollte sich die Migros. Doch der frühere Chef des Onlinemarkts der Migros (Le Shop), Dominique Locher, ist überzeugt, dass die Detailhändler früher oder später nicht um einen Sprachassistenen herumkommen werden. Sie müssten dem Kunden diesen Service anbieten, weil er es verlange. «Wenn sie es nicht machen, wird der Kunde sehr schnell zu jenem Anbieter wechseln, der das macht.»
Noch sind die Detailhändler in der Schweiz nicht unter Druck, noch bietet keine US-Firma Lebensmittel über einen Sprachassistenten an. Doch sobald Amazon oder ein anderes Unternehmen seine Angebote auf die Schweiz ausweitet, könnten Kunden auf die Idee kommen, Lebensmittel bei der neuen Konkurrenz zu bestellen.
Der Kunde wird sehr schnell zu jenem Anbieter wechseln, der diesen Service betreibt.
Dass die Schweizer Detailhändler dadurch Marktanteile verlieren könnten, ist sich auch Conrad von Coop bewusst: Mit den neuen Technologien bestehe die Gefahr, dass ein dominierender Anbieter möglichst umfassende Kundenbeziehungen anstrebe. Deshalb sei es für Coop umso wichtiger, den direkten Kontakt zu den Kunden aufrechtzuerhalten – und nicht bloss auf der Plattform von Amazon präsent zu sein.
Wann Amazon & Co. damit beginnen, auch in der Schweiz Lebensmittel anzubieten, ist noch völlig unklar. Doch wenn sie damit starten, könnte es sehr rasch gehen. Die Schweizer Detailhändler riskieren dann, von der Entwicklung überrumpelt zu werden.