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Asbest – Wirtschaft bricht Abmachungen
Aus ECO vom 19.10.2020.
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Entschädigungen Asbest-Opfer: Wirtschaft drückt sich vor Verantwortung

Eine Stiftung soll Asbestopfer und ihre Angehörigen entschädigen. Die Mittel dazu sollen von der Wirtschaft kommen – freiwillig. So die Gründungsidee. Doch das Konzept geht nicht auf, die Gelder fliessen nicht.

Die Zahl der Asbestopfer in der Schweiz steigt stetig: Pro Jahr sterben etwa 150 Menschen, weil sie irgendwann eine krebserregende Menge an Asbestfasern eingeatmet haben. Meist erkranken Betroffene an einem bösartigen Tumor des Brustfellbereichs.

Lange Leidensgeschichte

Nicht bei allen Asbestopfern lässt sich herleiten, wo sie mit der tödlichen Faser in Kontakt gekommen sind. Denn betroffen sind nicht nur Fabrikarbeiter, Mechaniker oder Baufachleute, die nachweislich mit Asbest zu tun hatten.

So weiss auch Dieter Gloor bis heute nicht, wo seine Ehefrau mit Asbest in Berührung gekommen ist, die vor fünf Jahren verstorben ist: «Meine Frau hat nie etwas mit Bau oder Asbest zu tun gehabt. Wir haben 51 Jahre miteinander gelebt, in der gleichen Wohnung, in den gleichen Räumlichkeiten.»

Es dauerte Jahre, bis ein Mediziner überhaupt die richtige Diagnose gestellt hat. «Wir sind von Arzt zu Arzt gerannt, über Jahre hinweg», erzählt Dieter Gloor, «irgendwann hat das Spital Männedorf herausgefunden, dass es eine Asbesterkrankung ist.» Knapp einen Monat nach der Diagnose verstarb seine Ehefrau.

SBB gehen mit gutem Beispiel voran

Für solche Fälle wurde 2017 die Stiftung «Entschädigungsfonds für Asbestopfer» gegründet, damit auch jene Betroffenen eine Entschädigung erhalten, die über keine Unfallversicherung verfügen.

Die Mittel dazu sollen von der Wirtschaft kommen – freiwillig. Der Verteilschlüssel orientiert sich an den asbestbedingten Todesfällen, die sich den verschiedenen Branchen zuordnen lassen.

Auf Bahn- und Verkehrsbetriebe entfallen rund zehn Prozent. Asbest wurde früher beispielsweise in Zugwaggons verbaut. Die SBB, welche die Stiftung mitgegründet haben, zahlten daher zehn Millionen Franken ein.

Fehlendes Engagement

Auf den Metall-, Apparate- und Maschinenbau entfallen 19 Prozent, auf das gesamte Bauhaupt- und Baunebengewerbe 42 Prozent aller asbestbedingten Todesfälle. Aus beiden Branchen floss nahezu kein Geld.

Swissmem, Dachverband der Metall-, Elektro- und Maschinenindustrie, schreibt «ECO» dazu: «Die Firmen haben sich an die damals geltenden Gesetze gehalten (…). Es gab kaum Asbestopfer in der Industrie, welche nicht durch die Berufsunfallversicherung bereits abgedeckt waren (...).»

Von Bauenschweiz heisst es: «Aktuell gibt es keine Massnahmen, um die Mitglieder von Bauenschweiz zu Zahlungen an den Entschädigungsfonds für Asbestopfer zu bewegen.»

Und der Schweizerische Arbeitgeberverband meint: «Der SAV hat die Stiftung mit aufgesetzt und seine Mitglieder über die Stiftungsidee informiert und für eine Mitwirkung sensibilisiert.»

Einbezahlt haben hingegen Eternit (Schweiz) AG und der Schweizerische Versicherungsverband.

Moralische Verpflichtung

Damit Betroffene wie die Familie von Dieter Gloor entschädigt werden können, rechnet die Stiftung mit einem Bedarf von 100 Millionen Franken in den nächsten Jahren. Bis jetzt sind erst knapp ein Viertel der Gelder einbezahlt.

Stiftungspräsident Urs Berger hätte klar mehr Engagement seitens der Schweizer Wirtschaft erwartet. «Wir sind darauf angewiesen, dass man sich aus der moralischen Verpflichtung heraus freiwillig für die Stiftung einsetzt, auch mit Geld.» Diese Verpflichtung verspüren offenbar die wenigsten. Urs Berger will deshalb jetzt zusammen mit Bundesrat Alain Berset einen neuen runden Tisch ins Leben rufen.

ECO, 19.10.2020

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