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Ernährung Weniger Zucker vergrault die Konsumenten

Weniger Zucker wäre gesünder – doch dann werden die Produkte nicht mehr gekauft.

Die Milchverarbeiterin Emmi ist eines der 14 Unternehmen, das sich 2015 in der sogenannten Erklärung von Mailand verpflichtet hat, den Zuckergehalt in Joghurts bis Ende dieses Jahres um fünf Prozent zu verringern. Man sei auf Kurs, sagt Konzernsprecherin Sibylle Umiker, aber die Schritte seien klein.

«Wir haben bei allen Joghurts solche Schritte gemacht. Wir sprechen hier aber von 0.1 bis 0.2 Prozent des zugesetzten Zuckers. Das sind die Schritte, die man als Konsumentin und Konsument nicht spürt. Sie sind wichtig, um sich an weniger süsse Milchprodukte zu gewöhnen.»

Wir sprechen von 0.1 bis 0.2 Prozent des zugesetzten Zuckers.
Autor: Sibylle Umiker Konzernsprecherin von Emmi

Die Entwicklungsabteilung arbeite mit verschiedenen Joghurtkulturen, um die Produkte weniger sauer zu machen und experimentiere mit Früchten.

Allerdings: Reduzierten sie den Zucker zu schnell, machten die Konsumentinnen und Konsumenten nicht mit. «Wir haben mal ein Joghurt auf den Markt gebracht mit 30 Prozent weniger Zucker. Das wurde nach wenigen Monaten aus dem Sortiment genommen. Auch sonst haben wir bei deutlich weniger süssen Produkten gehört, dass sie einfach weniger schmecken.»

Weniger Zucker kann technische Probleme machen

Ähnlich tönt es auf Anfrage beim Müesli-Produzenten Biofamilia. Man habe über 10 Prozent weniger Zucker verwendet. Bei noch weniger Zucker müssten aber die Rezepturen komplett umgestellt werden.

Diese technischen Herausforderungen kennt Liliane Bruggmann. Sie leitet den Fachbereich Ernährung im Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV). «Wenn man zu viel Zucker wegnimmt, hat man Schwierigkeiten mit der Konsistenz; das Produkt ist nicht mehr so knusprig. Es sind verschiedene Faktoren, die eine Rolle spielen.»

Bruggmann kontrolliert, ob die Unternehmen die Vereinbarung einhalten und den Kristallzucker nicht einfach mit anderen Süssstoffen ersetzen. In einem ersten Schritt hätten alle – von den Grossverteilern über internationale Konzerne wie Nestlé oder Emmi bis zu kleineren Produzenten – tatsächlich weniger Zucker beigemischt. Sie hätten sich 2019 auch zu weiteren Reduktionen von Zucker in Joghurts und Müesli von 10 respektive 15 Prozent bis 2024 verpflichtet.

Der Bund will nun mit den Unternehmen vereinbaren, auch bei Milchgetränken, Quark oder Milchalternativen weniger Zucker beizufügen.

Unklar, ob das gelingt

Diese Reduktionspläne lässt Liliane Bruggmann vom BLV wissenschaftlich begleiten. «Die Experten sitzen nicht im Bundesamt, sondern in den Unternehmen. Das gibt uns die Möglichkeit zu sehen, was wir von unserer Seite her verlangen können. Es zeigt aber gleichzeitig auch kleineren Unternehmen, was technologisch machbar ist.»

Die Experten sitzen nicht im Bundesamt, sondern in den Unternehmen.
Autor: Liliane Bruggmann Leiterin Fachbereich Ernährung im BLV

Es dürfte auch immer schwieriger werden, weniger Zucker zu verwenden, ohne die Konsumierenden, die Süsses mögen, zu vergraulen. Gerade auch bei Produkten, die seit Jahrzehnten auf dem Markt sind. Sibylle Umiker von Emmi bestätigt dies: «Jede Anpassung in einer Rezeptur ist ein Risiko.»

Denn wenn beliebte Produkte nicht mehr gekauft werden, brechen den Unternehmen grosse Erträge weg. Bruggmann stellt sich auf harte Verhandlungen mit den Unternehmen ein. Spätestens Ende 2024 werde sich dann zeigen, ob es funktioniert, mit freiwilligen Massnahmen den Zuckergehalt in Lebensmitteln deutlich zu senken.

Rendez-vous, 06.07.2012, 12:30 Uhr

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