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Folgen der Corona-Pandemie Chinas Wachstum gerät ins Stocken

Die Pandemie trifft China hart. Teile der Industrie stehen wieder oder noch immer still, viele Häfen sind blockiert. Fast alle Analysten gehen davon aus, dass China seine Wachstumsziele in diesem Jahr verfehlen wird. Das Land plant deshalb riesige Investitionen. ORF-China-Korrespondent Josef Dollinger ist skeptisch, was deren Nutzen angeht.

Josef Dollinger

China-Korrespondent des ORF

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Der 1963 in Oberösterreich geborene Josef Dollinger hat in Wien Publizistik und Politikwissenschaft studiert. Er ist seit 1. Juli 2017 Korrespondent und Leiter des ORF-Büros in Peking. Davor war er unter anderem in Brüssel und Rom für den ORF tätig.

SRF News: Chinas Regierung beschliesst Massnahmen. Ist das ein Zeichen, dass sie angesichts der Entwicklung beunruhigt ist?

Josef Dollinger: Es gibt immer mehr Anzeichen dafür, dass die Nervosität bei den Machthabern steigt. Die internationalen Prognosen für China werden zurückgestuft, Fitch beispielsweise senkte das erwartete Wachstum von 4.8 Prozent auf 4.3. In China selbst bleibt man noch bei 5.5 Prozent. Aber man muss abwarten, wie das zweite Quartal läuft. Diese Auswirkungen des harten Lockdowns in Schanghai und anderen Städten werden erst dann sichtbar werden. Andererseits spürt man die Nervosität auch in vielen wirtschaftspolitischen Ankündigungen.

Man erkennt die Krisenstimmung auch an der zunehmenden Zensur bei wirtschaftspolitischen Diskussionen in den sozialen Medien.

Dabei geht es um neue Strategien, Schwerpunktprogramme, aber auch um Steuererleichterungen und Investitionsanreize. Das alles häuft sich in letzter Zeit und ist somit auch ein Zeichen dafür, dass ein Ausweg aus der derzeitigen Krise gesucht wird. Darüber hinaus erkennt man die Krisenstimmung auch an der zunehmenden Zensur bei wirtschaftspolitischen Diskussionen in den sozialen Medien.

Wie ist die Stimmung in der Bevölkerung?

Sie ist allgemein schlecht. Auch hier im Alltag. Und das ist neu. Bisher haben die meisten Chinesen optimistisch in die Zukunft geblickt. Das ändert sich jetzt. Immer mehr Menschen machen sich Sorgen um ihren Job, ihr Einkommen, ihr Vermögen. Das alles sind kleine Puzzlesteine, die in Summe doch kein sehr gutes Bild von Chinas Wirtschaft ergeben.

Die Wachstumszahlen scheinen fast heilig. Worum geht es China?

Man will natürlich den USA Paroli bieten, man will zur stärksten Macht aufsteigen. Und hinter diesen Ambitionen steht eine Person, Xi Jinping. Er will sich im Herbst zur dritten Amtszeit küren lassen. Und diesem Ziel ist natürlich alles untergeordnet. Bis dahin muss alles glattlaufen.

Je näher dieser Parteitag rückt, desto stärker ist Xis Machtanspruch zu spüren.

Es läuft aber leider nicht glatt. Deshalb wird jetzt noch mehr Druck gemacht, damit er im Herbst wiedergewählt werden kann. Je näher dieser Parteitag rückt, desto stärker ist Xis Machtanspruch zu spüren. Ich würde nicht sagen, dass seine Ambitionen diese Wirtschaftskrise ausgelöst haben. Aber mit Sicherheit tragen sie nicht zur Lösung bei.

Peking hat ein ganzes Bündel von Massnahmen geplant. Welche?

Die Massnahmen sehen bei genauerer Betrachtung ein wenig altbacken aus. Wenn nichts mehr geht, dann beginnt der Staat zu bauen. Infrastruktur ist das altbewährte Stichwort. Aber was soll man jetzt hier in China noch alles bauen? Bekommt Qinghai einen zweiten, supermodernen Flughafen? Man kann mittlerweile in die entlegensten Gegenden Chinas mit dem Hochgeschwindigkeitszug fahren.

Flughafenterminal mit China-Fahnen am Rand
Legende: Flughäfen, Autobahnen, Hochgeschwindigkeitszüge: Chinas Infrakstruktur ist ausgebaut. imago images

Autobahnen ziehen sich durch das ganze Land. Beim Ausbau der 5G-Mobilfunk-Technologie ist China auch führend. Im Gegensatz zu Europa und den USA ist ein Grossteil der chinesischen Infrastruktur ziemlich neu. Ich sehe da nicht so viel Potenzial. Interessant hingegen wird es zum Beispiel im Immobiliensektor. Da ist alles noch nicht ausgestanden. Ein geordnetes Ablassen der Luft aus dieser Immobilienblase ist gerade im Gang. Aber auch das kann noch scheitern. Da müssen wir abwarten.

SRF 4 News, 05.905.2022, 06:45 Uhr ; 

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