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Die Schweiz und der WTO – geht die Rechnung auf?
Aus Echo der Zeit vom 12.12.2017.
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Freihandel und Deregulierung Das Exportland Schweiz profitiert

«Freihandel» gilt vielen als Schimpfwort – nicht erst seit Donald Trump. Doch ist er Fluch oder Segen für unsere Wirtschaft?

Es sind keine einfachen Zeiten für den freien Welthandel – und somit für die Welthandelsorganisation WTO. Der Widerstand wächst in vielen Regionen der Welt. Zurzeit tagt die WTO in Buenos Aires, Argentinien, mit 164 Vertretern. Grosse Vereinbarungen werden von den Experten nicht erwartet.

Bundesrat Hans Schaffner, Mitte, nimmt am 16. Mai 1963 an der GATT-Konferenz in Genf, teil. (
Legende: 1966 trat die Schweiz dem Gatt bei. Schon 1963 nahm Bundesrat Hans Schaffner an der Konferenz in Genf teil. Keystone/Archiv

Die Schweiz trat Mitte der 60er-Jahre der WTO-Vorläuferorganisation Gatt bei. Wie haben sich die wichtigsten WTO-Massnahmen wie Zollabbau und internationale Ausschreibung von öffentlichen Aufträgen seither auf die Schweizer Wirtschaft ausgewirkt?

Wen immer man anfragt, eine klare Antwort gibt es nicht. Zu komplex sind die Handelsströme, zu dürftig entsprechende Studien. Zudem dürften das Freihandelsabkommen mit der EU und die Bilateralen Verträge viel wichtiger für die Schweizer Wirtschaft sein als die WTO-Abkommen.

Richard Senti, emeritierter Professor der ETH Zürich und Doyen bei Fragen zur WTO, sagt: «Für einzelne Länder können Sie das gar nicht berechnen. Sie könnten berechnen, wie sich Importe gegenüber Exporten verhalten. Das müssten Sie aber einzeln für jedes Produkt machen. Ein allgemeines Urteil lässt sich nicht fällen.»

Exportorientierte Industrie profitiert

Generell habe der Abbau der Zölle dazu geführt, dass Schweizer Unternehmen einfacher ins Ausland exportieren können. Umgekehrt gibt es aber mehr Konkurrenz aus dem Ausland – mit Ausnahmen in der Landwirtschaft, die mit hohen Importzöllen vor ausländischer Konkurrenz geschützt werde.

Dieser erhöhte Austausch habe Gewinner, aber auch Verlierer geschaffen. Senti vermutet, dass die Schweizer Industrie eher zu den Gewinnern gehört. Denn: «Im Vergleich zum Ausland haben wir als exportierender Staat, der gerne auch die Zollfreiheit im Empfängerland hat, immer relativ niedrige Zölle gehabt. Ausgenommen im Agrarbereich, aber das steht nicht zur Diskussion.»

Ausländische Unternehmen setzen Druck auf

Eine Branche dürfte hingegen unter Druck gekommen sein: Die Baubranche. Sie muss mit viel mehr ausländischer Konkurrenz zurechtkommen als früher. Denn im Rahmen der WTO hat sich auch die Schweiz dazu verpflichtet, dass Staatsaufträge für Waren und Dienstleistungen ab 230'000 Franken und Bauvorhaben ab 8,7 Millionen Franken international ausgeschrieben werden müssen.

Die SBB beispielsweise haben einen Druckauftrag für ihre Bordzeitung «Via» ausgeschrieben. Den Zuschlag erhielt nicht mehr eine Druckerei in Solothurn, sondern eine billigere in Deutschland. Bei Strassen- und Tunnelbauten kommen viel häufiger ausländische Unternehmen zum Zug, weil sie günstiger sind.

WTO-Konferenz in Argentinien

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Die Ministerkonferenz hat nach der offiziellen Eröffnung vom Sonntag ihre Verhandlungen am Montag aufgenommen. Fünf Arbeitsgruppen befassen sich mit den Themen Fischerei, Landwirtschaft, nachhaltige Entwicklung, E-Commerce sowie Dienstleistungen und Industriegüter.

Alte und neue Handelshemmnisse

Tiefere Zölle und internationale Ausschreibung von Staatsaufträgen sollen den Konsumenten und Steuerzahlern günstigere Waren und Dienstleistungen und tiefere Ausgaben für Bauvorhaben bescheren. Das ist die Idee hinter dieser Liberalisierung.

Während die Schweiz und viele andere Länder die Zölle stark abgebaut haben und Staatsaufträge international ausgeschrieben werden, gibt es gleichzeitig immer mehr andere Hürden, die den Welthandel hemmen.

Neben den Zöllen gebe es sogenannte «nichttarifäre Handelshemmnisse», sagt WTO-Experte Senti, «also Massnahmen zum Schutz der Gesundheit und der Sicherheit, Kontrollen, Registrierungen – all diese Massnahmen gehen ins dicke Tuch.»

Freihandel im Gegenwind

Das Ifo-Institut in München hat diese nichttarifären Handelshemmnisse zwischen der EU und den USA ausgerechnet. Chemische Produkte aus der EU verteuern sich deswegen beim Import in die USA um 30 Prozent, US-Produkte in Richtung Europa gar um 110 Prozent. US-Maschinen werden bei der Einfuhr in die EU kaum belastet, umgekehrt in die USA hingegen mit fast 45 Prozent.

«Diese nichttarifären Hemmnisse machen teilweise durchaus Sinn», sagt Senti. Dann etwa, wenn damit die Sicherheit oder der Umweltschutz tatsächlich verbessert würden. Doch manch eine dieser Auflagen wird dazu missbraucht, unliebsame Konkurrenz aus dem Ausland fernzuhalten.

Dass die Staaten die nichttarifären Handelsbarrieren im Rahmen der WTO abbauen werden, damit ist im Moment nicht zu rechnen. Nicht nur in den USA stösst das Wort «Freihandel» seit der Wahl von Donald Trump auf offene Ablehnung. Auch in Europa ist der Widerstand dagegen vor allem in der Zivilgesellschaft gross. Ohne diese beiden grossen Wirtschaftsblöcke wird sich aber nichts bewegen.

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