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Freiwillige Beschränkungen Hohe Fallzahlen vor Weihnachten: Jetzt reagiert die Wirtschaft

Keine neuen bundesweiten Massnahmen, auf Kantonsebene herrscht ein Flickenteppich – nun nehmen vermehrt Wirtschaftsakteure die Massnahmen zur Pandemiebekämpfung in die eigene Hand. So führen nach den Detailhändlern auch die Schweizer Seilbahnen von sich aus Kapazitätsbeschränkungen ein.

«Wir beobachten die Entwicklung mit grosser Sorge», sagt Christa Markwalder, Präsidentin des Detailhandelsverbands Swiss Retail Federation. Man habe sich darum entschieden, Quadratmeter-Beschränkungen in den Läden einzuführen.

Es sind ähnliche Beschränkungen wie letztes Jahr – nur diesmal auf freiwilliger Basis. Damit wolle man auch die Kundinnen und Kunden wieder verstärkt auf die Hygienemassnahmen aufmerksam machen, so Markwalder. Der Entscheid wurde gemeinsam mit dem Verband IG Detailhandel Schweiz gefällt und betrifft somit auch Coop, Migros und Denner.

Nur noch 70 Prozent Auslastung in Seilbahnen

Die Detailhändler sind kein Einzelfall. Schon vorher haben Teile einzelner Branchen und Unternehmen auf die hohen Fallzahlen reagiert und freiwillige Massnahmen beschlossen. Dazu gehören etwa eine 3G- oder gar 2G-Pflicht am Arbeitsplatz oder in Restaurants.

Aktuellstes Beispiel sind die Seilbahnen: Am Freitag gab der Verband der Seilbahnen bekannt, ebenfalls eine Kapazitätsbeschränkung einführen zu wollen. So dürfen ab dem 18. Dezember grosse Gondeln ab 25 Personen nur noch zu 70 Prozent ausgelastet werden.

Die Lage hat sich deutlich akzentuiert.
Autor: Berno Stoffel Geschäftsführer Seilbahnen Schweiz

Zudem würden in den Aussenbereichen von Berg-Restaurants wieder vermehrt Abstandsregeln beim Anstehen durchgesetzt, sagt Berno Stoffel, Geschäftsführer der Seilbahnen Schweiz. Dieser Entscheid erstaunt, zumal der Verband vor zwei Monaten noch gegen eine Verschärfung war. Berno Stoffel sagt dazu: «Die Lage hat sich deutlich akzentuiert. Wir stehen jetzt vor der Hochsaison, und für uns ist deshalb der Moment gekommen, Massnahmen zu ergreifen.»

Warum führt man nicht auch eine Zertifikatspflicht ein? Als Transportmittelunternehmen wolle man die Gäste denselben Umständen aussetzen wie beispielsweise bei der Anfahrt mit dem öffentlichen Verkehr, zu dem man ja auch gehöre, so Stoffel. Mit den Beschränkungen reagiere man dort, wo die Leute am engsten zusammenstehen. Ausserdem sei es den Bergbahnen zurzeit nicht möglich, 3G zu kontrollieren.

Verantwortungsbewusstsein oder Kalkül?

Marius Brülhart, Ökonom an der Universität Lausanne, ordnet die freiwilligen Massnahmen ein. Er sieht drei mögliche Aspekte, die Firmen zu solchen Einschränkungen motivieren können.

Einerseits könne es durchaus zeigen, dass privatwirtschaftliche Akteure auch ein Verantwortungsbewusstsein haben und jetzt einsehen, dass sie ihren Teil zur Pandemiebekämpfung beitragen können. Zweitens: «Aus rein geschäftlichen Gründen lohnt es sich vielleicht, eine gewisse Kundschaft, die sich aufgrund der Infektionen Sorgen macht, zu beruhigen», so Brülhart. Drittens könnte dahinter aber auch politisches Kalkül stecken: «Wenn Massnahmen aus freien Stücken beschlossen werden, ist die Gefahr, dass die Politik solche aufdrängt, weniger gross.»

Aus rein geschäftlichen Gründen lohnt es sich vielleicht, eine gewisse Kundschaft, die sich aufgrund der Infektionen Sorgen macht, zu beruhigen.
Autor: Marius Brülhart Ökonom Universität Lausanne

So oder so - genau vor einem Jahr entschied der Bundesrat angesichts der hohen Fallzahlen, stärkere Massnahmen wie Kapazitätsbeschränkungen einzuführen, teilweise auch gegen den Widerstand von Teilen der Wirtschaft. Heuer bleiben solche Einschränkungen auf Bundesebene aus – und die Akteure beginnen selber, Verantwortung zu übernehmen.

Tageschau, 10.12.2021, 19:30 Uhr

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