- Die Europäische Zentralbank pumpt seit 2014 billiges Geld in die Wirtschaft, um die Nachfrage nach Krediten und Hypotheken anzukurbeln und so das Wachstum zu beschleunigen.
- Das sollte Unternehmen dazu bringen, mehr in Maschinen und Personal oder Ähnliches zu investieren, so das Kalkül der EZB.
- Doch das ist nur teilweise eingetreten: Viele Unternehmen kaufen mit dem billigen Geld lieber Konkurrenten auf, statt in Maschinen und Personal zu investieren, wie Untersuchung zeigt.
«Im Kontext von niedrigen Zinsen finden Unternehmen durchaus Anreize, Fusionen und Übernahmen zu tätigen, anstatt reale Investitionen zu schaffen», sagt Agnieszka Gehringer.
Noch nie so viele Fusionen wie 2016
Die Professorin für Makroökonomie an der Universität Göttingen hat untersucht, wie sich die Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) auf das Verhalten der Unternehmen auswirkt, indem sie Zahlungsströme auswertete.
Tatsächlich wurde 2016 die Rekordzahl an Fusionen aus dem Jahr 2007 überboten. Drei von vier Schweizer Grossunternehmen gaben in einer Umfrage an, sie planten eine Übernahme.
Welche Fusion der letzten Zeit vor allem auf das billige Geld zurückzuführen war, sei von aussen schwer zu beurteilen, denn die Unternehmen gäben das nie zu, sagt Gehringer. Viel lieber strichen sie die unternehmerischen Vorteile hervor.
Ich entscheide mich für eine Fusion oder Übernahme, weil sie mich weniger kostet.
Normalerweise steigt der Aktienkurs jenes Unternehmens, das übernommen wird, während jener des Käufers sinkt. Nicht so im letzten Jahr: Die Aktienwerte beider Unternehmen sind in der Regel gestiegen, was laut Gehringer zeigt: Auch die Investoren habe ihre helle Freude an Fusionen und Übernahmen.
Fusionen billiger als Gründungen
Dass die Unternehmen das billige Geld lieber in Zusammenschlüsse stecken, statt in reale Projekte, hat laut Agnieszka Gehringer mit falschen Anreizen zu tun. Beim Kauf einer Maschine oder der Gründung einer Produktionsstätte müsse nicht nur am Anfang viel investiert werden, sondern die ständige Anpassung der Prozesse kosteten viel Geld.
Die meisten Fusionen und Übernahmen scheitern, wie Untersuchungen belegen.
Bei Fusionen und Übernahmen aber sei bereits eine Struktur vorhanden, an der nur Kleinigkeiten verändert werden müssten. «Daher entscheide ich mich für eine Fusion oder Übernahme, weil sie mich weniger kostet.»
Stellenstreichungen sind programmiert
Übernahmen und Fusionen seien nicht per se schlecht, sagt Gehringer aber, «es gibt Untersuchungen, die belegen, dass die meisten Fusionen und Übernahmen scheitern.» Selbst in jenen Fällen, in denen die Fusion erfolgreich war, werden wegen Doppelspurigkeiten und Überschneidungen Stellen zuerst einmal gestrichen.
Es passiert also nicht immer das, was die EZB mit ihrer Tiefzinspolitik erreichen will – nämlich mehr Wachstum und mehr Jobs.