- Die Verhandlungen zum SBB-GAV stecken fest.
- SBB-Angestellte fürchten Lohneinbussen und eine Aufweichung des Kündigungsschutzes.
- SBB-Angestellte drohen deshalb mit Streik.
Stefan Moser hat gerade sechs Tage Frühdienst hinter sich. Aufstehen morgens um vier, Billett-Kontrollen in überfüllten Pendlerzügen. Eine Pause erst am späten Vormittag. Seit 27 Jahren arbeitet Moser bei den SBB als Zugbegleiter. Der Job gefällt ihm, er mag den Kontakt zu den Menschen. Doch gegenwärtig brodelt es in ihm.
Wenn man uns die Zulagen kürzt, ist das nicht akzeptierbar.»
«Wir arbeiten unregelmässig», sagt Moser, «365 Tage, 24 Stunden, wir verzichten darauf, an Wochenenden zuhause zu sein, auch an Ostern oder Weihnachten. Das gehört zu unserem Leben. Aber wenn man uns die Zulagen kürzt, ist das nicht akzeptierbar.»
Moser spricht vom neuen Gesamtarbeitsvertrag (GAV) der SBB, der gegenwärtig neu ausgehandelt wird. Unter dem Stichwort «Flexibilisierung» gehen die SBB mit einem Strauss von Forderungen in die Verhandlungsrunde, darunter eine Schwächung des Kündigungsschutzes oder eine Aufhebung von Lohngarantien.
Jobgarantie in Frage gestellt
Bisher war jeder SBB-Angestellte nach vier Jahren praktisch unkündbar. Das will die Bahn ändern, vor allem bei IT-Fachkräften, die meist jung sind und ohnehin gern den Job wechseln. Bei Lokführern oder Zugbegleitern verhält sich das anders. Sie haben sogenannte «Monopolberufe», das heisst, sie finden kaum woanders einen Job.
«Wenn ich nicht weiss, ob ich nächstes Jahr auf der Strasse stehe, ist das nicht besonders motivierend», meint Zugbegleiterin Martina Tschanz. Die Garantie, den Job nicht zu verlieren, sei für SBB-Angestellte bisher wertvoll gewesen. Es sei zwar ungewöhnlich, in der Schweiz einen Kündigungsschutz zu geniessen. Dennoch: Ein «Privileg», das man nicht abschaffen solle.
Verhandlungen bis Ende Juni
Am Verhandlungstisch sitzen SBB-Personalchef Markus Jordi und der Vizepräsident des Schweizerischen Eisenbahnerverbandes (SEV), Manuel Avallone. Die Gespräche verlaufen zurzeit harzig. «Die SBB sind noch nie mit so knallharten Forderungen in GAV-Gespräche gegangen», sagt Avallone der «Rundschau». Und weiter: «Wir müssen sicherstellen, dass wir ein wettbewerbsfähiges Unternehmen bleiben», kontert der SBB-Personalchef.
Bis Ende Juni sollten die Verhandlungen eigentlich abgeschlossen sein, doch schon jetzt gibt es Anträge auf eine Verlängerung bis Ende September. Denn, keine der beiden Seiten bewegt sich. Ein Teil der SBB-Basis denkt bereits über Streik nach. Falls der GAV auslaufen würde und die Mitarbeiter in einem vertragslosen Zustand wären, könnte die Situation eskalieren. «Wir wollen nicht streiken», beteuert Zugbegleiter Sandro Tufano. «Aber wenn die SBB-Forderungen auf dem Tisch bleiben, kann ich für nichts garantieren.»