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Nationalbank-Präsident Thomas Jordan zu Gast im «ECO»-Studio.
Aus ECO vom 01.02.2021.
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Geldsegen für Bund und Kantone «Hauptaufgabe der SNB ist nicht die Finanzierung des Staates»

Bis zu sechs Milliarden Franken ihres Gewinns will die Schweizerische Nationalbank unter Thomas Jordan in den nächsten fünf Jahren an Bund und Kantone abliefern. Ein aussergewöhnlich hoher Betrag. Aber die Stimmen, die finden, dass das nicht reicht, werden mehr und lauter. Thomas Jordan sagt im ECO-Interview, warum es zurzeit nicht notwendig sei.

Thomas Jordan

Thomas Jordan

Nationalbankpräsident

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Thomas J. Jordan wurde 1963 in Biel geboren. Er studierte Volks- und Betriebswirtschaftslehre an der Universität Bern. Er wurde 2012 vom Bundesrat zum Präsidenten des SNB-Direktoriums gewählt.

SRF News: Am Freitagabend wurde bekannt, dass Sie künftig bis zu sechs Milliarden Franken an Bund und Kantone ausschütten werden – statt vier Milliarden. Man könnte behaupten, Sie seien gegenüber den Forderungen der Politiker eingeknickt?

Thomas Jordan: Wir sind überhaupt nicht eingeknickt. Wir haben ein sehr vernünftiges System. Die neue Vereinbarung basiert auf der alten. Sie berücksichtigt allerdings, dass wir jetzt eine grössere Bilanz haben. Und auch, dass die Ausschüttungs-Reserve deutlich grösser ist. Das hat uns erlaubt, diesen Rahmen breiter zu machen. Wenn es gut geht, kann die Nationalbank über die Jahre viel ausschütten. Wenn es wieder schlechter geht, werden wir die Ausschüttungen reduzieren.

Noch im letzten Jahr sagte Ihre Kollegin Andréa Maechler vom SNB-Direktorium: «Nein, wir können nicht noch mehr Geld geben.» Es war nun doch eine grosse Überraschung am Freitagabend.

Es war keine Überraschung, wir haben es genau analysiert. Wir sind zum Schluss gekommen, dass es eine gute Lösung ist, sehr ähnlich wie die alte. Ganz wichtig ist: Die Nationalbank muss stabil bleiben. Wir werden auch Rückstellungen bilden, um das Eigenkapital der Nationalbank weiter aufzubauen. Eine stabile Nationalbank ist das, was der Bevölkerung und der Wirtschaft am meisten dient. Deshalb ist es wichtig, dass wir proportionsweise Ausschüttungen machen und nicht aufgrund eines einzigen Jahres eine ganz grosse.

Aber könnte es nicht sein, dass die Begehrlichkeiten noch zunehmen? 30 Milliarden Schulden bauen sich da auf. Sie haben Ausschüttungs-Reserven von 100 Milliarden und einen Gewinn von 21 Milliarden. Wenn man das vergleicht, könnte man auf die Idee kommen, dass die Nationalbank noch mehr zahlen soll, damit wir weniger Schulden haben und unsere Kinder nicht diese Schulden abstottern müssen?

Die Nationalbank schüttet über die Zeit namhafte Beiträge aus, sofern es ihr gut geht. Das muss man entsprechend reduzieren, wenn es ihr nicht so gut geht. Wir dürfen nicht vergessen: Das sind alles nicht realisierte Gewinne. Die Nationalbank müsste diese Devisen eigentlich verkaufen, das würde den Gewinn relativ schnell wegschmelzen lassen. Wir haben ein vernünftiges System und sollten dabei bleiben.

Die Nationalbank müsste diese Devisen eigentlich verkaufen, das würde den Gewinn relativ schnell wegschmelzen lassen.

Ganz wichtig ist: Die Hauptaufgabe der Nationalbank ist nicht die Finanzierung des Staates, das ist ein berechtigtes Nebenprodukt. Aber primär müssen wir eine gute Geldpolitik machen. Das bedeutet im Moment tiefe Zinsen. Das ist auch wichtig für Bund und Kantone. Sie können sich dort günstig refinanzieren.

Der Wechselkurs spielt eine ganz wichtige Rolle in der Exportwirtschaft, aber auch bei jenen, die unter der Importkonkurrenz leiden. Dazu kommt: Wir haben sehr viel Liquidität zur Verfügung gestellt für die Finanzierung der Covid-Kredite. Nur dank dieser günstigen Finanzierung war es möglich, dass diese Kredite den Unternehmen zu 0 Prozent gegeben werden konnten.

Bleiben wir bei diesen Covid-Krediten. Im Juli hat man plötzlich gesagt: «Wir schliessen das Programm.» Jetzt sind wir im zweiten Shutdown. Viele Firmen haben grosse Probleme – im Tourismus, in der Gastronomie. Wäre es nicht sinnvoll, man würde dieses Covid-Programm wieder in Kraft setzen?

Es braucht immer eine gute Analyse: Was ist das Problem? Gibt es eine sogenannte Kreditklemme? Gibt es zu wenig Kredite für die Unternehmen? Im Moment scheint es gut zu funktionieren: Die Banken vergeben Kredite, die Unternehmen bekommen Kredite. Es ist also nicht notwendig, es braucht aber eine permanente Überprüfung. Wir arbeiten sehr eng mit dem Bund, aber auch mit den Banken zusammen, um zu überlegen, ob ein erneutes Programm Sinn ergibt.

Im Moment scheint es gut zu funktionieren: Die Banken vergeben Kredite, die Unternehmen bekommen Kredite.

Einige Banker sind dafür – CS-Chef Thomas Gottstein sagt, wir sollten es tun.

Im Moment sollte man noch abwarten und analysieren. Wenn es sich anbietet und es Sinn ergibt, hat die Nationalbank nichts dagegen. Wir haben immer gesagt, wenn es nützlich ist, werden wir auch eine zweite Tranche refinanzieren.

Wir sind jetzt im zweiten Shutdown. Sie machten die Prognosen für das Jahr 2021: 2.5 bis 3 Prozent Wachstum. Müssen wir das Wachstum wieder runterdividieren angesichts dessen, dass im Januar und Februar nichts läuft?

Wir hatten ja diese ganz grosse Krise im März und April des letzten Jahres, danach aber auch eine starke Erholung. Jetzt, aufgrund der zweiten Pandemiewelle, müssen wir damit rechnen, dass das vierte Quartal vom letzten Jahr und auch das erste Quartal dieses Jahres schwach sein werden. Sie könnten auch negativ sein. Die Erholung wurde durch die zweite Welle gebremst. Das wird Einfluss auf das gesamte Wachstum haben. Wir werden im März eine neue Prognose machen, dann werden wir sehen, wie gross die Auswirkungen sind.

Die Bezeichnung als Währungsmanipulatoren durch die Amerikaner wird keinen Einfluss auf unsere Geldpolitik haben.

Sie sprachen davon, wie wichtig die Devisenkäufe sind. Sie haben für 100 Milliarden Franken in den ersten neun Monaten des letzten Jahres Devisen gekauft. Gleichzeitig sind wir im Dezember von den USA als Währungsmanipulatoren gebrandmarkt worden. Werden Sie 2021 weniger am Devisenmarkt eingreifen können, weil Sie im Hintergrund immer die Amerikaner im Ohr haben?

Wir haben ein ganz klares Mandat durch die Verfassung, durch die Bevölkerung und durch das Parlament bekommen. Das ist unsere Leitlinie, unsere Richtschnur für die Geldpolitik. Diese Bezeichnung durch die Amerikaner wird keinen Einfluss auf unsere Geldpolitik haben. Wir haben eine sehr tiefe Inflation und nun müssen wir ein Mittel finden, damit wir günstige monetäre Bedingungen haben. So kann sich die Schweizer Wirtschaft entwickeln, und wir rutschen nicht in eine Deflation. Im Moment sind diese Devisenmarkt-Interventionen sehr wichtig, weil wir grossen Druck auf den Franken gesehen haben, gerade in der Covid-Krise.

Das Gespräch führte Reto Lipp.

ECO, 1. Februar 2021, 22:25 Uhr;

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