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Geringverdiener in Nöten Aus wirtschaftlicher Sicht sind vor dem Virus nicht alle gleich

Das Coronavirus ist nicht wählerisch, es trifft alle Bevölkerungsgruppen. Doch die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie treffen vor allem jene, die ohnehin schon am wenigsten verdienen. Die Analyse des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB) zeigt, dass die Arbeitslosenquote in der Lohnklasse zwischen 3000 und 5000 Franken Bruttolohn am höchsten ist.

Bei den untersten 20 Prozent der Lohnempfänger ist der Anteil jener, die Kurzarbeit leisten, dreimal höher als in der obersten Lohnklasse. Die Zahlen des SGB zeigen zudem, dass das Ausmass der Unterbeschäftigung mit zehn Prozent so hoch ist wie seit Jahrzehnten nicht mehr, auch nicht während und nach der globalen Finanzkrise.

Es trifft die mit den tiefen Löhnen

Die Unterbeschäftigung – also die Summe aus Erwerbslosigkeit, Kurzarbeit und Temporärarbeit zu tieferen Stellenprozenten als gewünscht – betrifft in erster Linie Menschen in Branchen wie der Gastronomie oder der Kultur, wo ohnehin tiefe Löhne bezahlt werden und prekäre Arbeitsverhältnisse wie etwa befristete Verträge an der Tagesordnung sind.

Dass diesen besonders betroffenen Gruppen in besonderem Mass geholfen werden soll, leuchtet deshalb ein. Das Parlament hat ja im Dezember schon einen Schritt getan und die Kurzarbeitsentschädigung für die tiefsten Löhne von 80 auf 100 Prozent erhöht. Es ist verständlich, dass die Gewerkschaften nun fordern, dass etwa die Härtefallgelder ausgeweitet und vor allem rasch ausbezahlt werden und dass die Bezugsfristen für Kurzarbeit und Arbeitslosengeld verlängert werden.

Arbeitsplätze und Einkommen mit staatlicher Unterstützung zu sichern, bleibt wichtig; es liegt in dieser Krise auch im Interesse der Unternehmen, Konkurse und Entlassungen zu verhindern. Im Gegensatz zu «normalen» Zeiten, wo Konkurse und Neugründungen zum wirtschaftlichen Alltag gehören.

Das Gefüge bekommt Risse

Ein Restaurant schliesst, weil es den Geschmack der Kundschaft nicht mehr trifft; ein Industriebetrieb geht ein, weil seine Produkte veraltet sind – doch gleichzeitig geht ein neues Restaurant auf, das besser aufgestellt ist, und ein neuer Betrieb, der modernere Produkte anbietet.

Heute aber eröffnet niemand ein Restaurant oder gründet einen neuen Industriebetrieb. Jeder Konkurs hat deshalb Folgen für andere – für den Bäcker und den Metzger, die dem Restaurant Lebensmittel verkaufen; für die Zulieferer und Kunden des Industrieunternehmens. Kurz: Für das ganze Netzwerk an grösseren und kleineren Unternehmen des Wirtschaftsstandorts Schweiz. Dieses Netz hat sich bisher als robust erwiesen. Doch ohne rasche Hilfe für einige weitere Monate dürfte es grosse Risse bekommen.

Klaus Bonanomi

SRF-Wirtschaftsredaktor

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Klaus Bonanomi ist seit 2009 Wirtschaftsredaktor bei Radio SRF. Davor war er Nachrichtenredaktor, Bundeshauskorrespondent und Produzent der Sendung Rendez-vous. Er ist zudem als Korrespondent für die österreichische Zeitung «Der Standard» und für den deutschen «Südkurier» tätig.

Rendez-vous, 07.01.2021, 12:30 Uhr

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