Darum geht es: Die Schweiz – genauer der Kanton Zug – gilt in der Welt als das Crypto Valley. Hier gibt es viele Start-ups, angezogen von attraktiven Gesetzen. Die Rechtssicherheit ist ein Standortvorteil. Doch auch in der Schweiz sind viele Fragen offen. Etwa, ob Kryptowährungen Wertpapiere sind. Die Frage, welche Tokens als Effekte gelten und welche nicht, ist in der Praxis zentral: Wer ohne Effektenhändlerbewilligung mit Tokens handelt oder sie herausgibt, geht ein Risiko ein. Schlimmstenfalls drohen eine Strafe und eine aufsichtsrechtliche Liquidation wegen unerlaubten Effektenhandels.
Das sagt die Finanzmarktaufsicht (Finma): Die Finma hat eine Wegleitung publiziert, wonach unterschieden wird zwischen Tokens, die als Zahlungsmittel dienen (wie Bitcoins) und solchen, die eine Anlagefunktion haben. Nur wer mit Anlage-Tokens handelt, braucht eine Bewilligung als Effektenhändler. Da Anlage-Tokens einen Vermögenswert darstellen – etwa einen Anteil an einem Unternehmen oder einen Anspruch auf Dividenden – wird diese Art von Tokens von der Finma gleichbehandelt wie Aktien oder Obligationen. Ob dies rechtlich korrekt ist, dazu gibt es noch keine Leitentscheide.
Wenn nicht klar ist, ob ein Token ein Zahlungs- oder Anlage-Token ist, geht man ein grosses Rechtsrisiko ein. Wir begrüssen jede Klärung
Das macht die Politik: Die Bundesverwaltung arbeitet an einer Teilrevision des Finanzmarkt-Infrastrukturgesetzes. Beobachter rechnen damit, dass der Effektenbegriff präzisiert wird. «Es wäre sinnvoll, eine klare Abgrenzung zwischen Anlage- und Nutzungszweck ins Gesetz aufzunehmen», findet etwa Anwalt Yves Mauchle von Baker McKenzie Switzerland. Die Finma-Wegleitung sei noch nicht ganz trennscharf, sodass immer im Einzelfall beurteilt werden müsse, ob ein bestimmter Token eine Effekte sei.
Das sagt der Broker Bitcoin Suisse: Die unterschiedliche Regulierung der Tokens sei ein Problem, bestätigt Luzius Meisser, Verwaltungsratspräsident von Bitcoin Suisse. Diese bietet professionellen Handel für über 55 Kryptowährungen, darf aber nur mit Zahlungstokens handeln, nicht mit Anlage-Tokens. «Wenn es nicht klar ist, ob ein Token das eine oder das andere ist, geht man ein Rechtsrisiko ein. Wir begrüssen jede Klärung», betont Meisser.
Das ist der Stand in den USA: Der langjährige Gerichtsstreit SEC vs. Ripple Lab dreht sich um die Frage, ob der Verkauf von Ripple-Token an institutionelle Anleger eine Bewilligung der Börsenaufsicht erfordert. Kürzlich errang Ripple einen Teilsieg: Ein Bezirksgericht entschied im Juli 2023, der Token als solcher sei nicht als Wertpapier einzustufen, nur Verkäufe an institutionelle Anleger seien registrierungspflichtig. Die Börsenaufsicht legte Berufung ein. Der Ausgang des Falls ist entscheidend, weil die Börsenaufsicht auch gegen andere Tokens vorgegangen ist.
Ein aktuelles Urteil aus der Schweiz: Das Bundesverwaltungsgericht in St. Gallen hat am Dienstag einen Fall im Sinne der Finma entschieden, wonach der Verkauf eines Tokens an Anleger ohne Bewilligung unerlaubter Effektenhandel sei. Die Beschwerde der Aktiengesellschaft gegen die von der Finma beantragte aufsichtsrechtliche Liquidierung wurde abgewiesen. Die Aufsichtsbehörde sieht sich in ihrer Praxis zur Effektenqualifikation von Anlage-Token bestätigt und schreibt: «Das Urteil gibt Rechtssicherheit». Das Urteil kann ans Bundesgericht weitergezogen werden. Ein höchstrichterlicher Entscheid steht daher in der Schweiz wie in den USA weiterhin aus.