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China und die Schweiz: Eine privilegierte Partnerschaft
Aus ECO vom 30.09.2019.
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Geschäfte in Fernost China empfängt Schweizer Firmen mit offenen Armen

Die chinesische Regierung privilegiert Unternehmen aus der Schweiz. Dahinter steckt auch knallharte Industriepolitik.

Vor einem Jahr wusste er noch nicht, dass er in China Geschäfte machen würde. Inzwischen hat der Mitgründer von Holo One, Dominik Trost, einen Firmensitz in Chongqing in Zentralchina. So schnell kann es gehen in China.

Denn Schweizer Unternehmen sind in der zweitgrössten Volkswirtschaft der Welt sehr gefragt. Sie geniessen einen privilegierten Status – und zwar gleichgültig ob Technologie-Start-up, Lebensmittelbetrieb oder Industrieunternehmen.

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Legende: Das Einkommen pro Kopf hat sich in 40 Jahren ver-40-facht. SRF

Schweizer Firmen stehen für Qualität und Zuverlässigkeit, geniessen grosses Vertrauen bei chinesischen Kunden und Konsumenten. Entsprechend gross sind die Chancen.

Hunger nach neuen Technologien

Selbst kleinere Start-ups profitieren von den guten Beziehungen zwischen den beiden Ländern. So etwa Start-up-Gründer Dominik Trost und sein chinesischer Geschäftsführer Jeffrey Li.

Sie dürfen ihre Software für erweiterte Realität einem Megakonzern vorstellen. SAIC Motor ist ein Autohersteller mit einem Umsatz von über 130 Milliarden US-Dollar im Jahr. Er gehört laut Forbes zu den 100 weltgrössten Unternehmen.

Um Abläufe zu vereinfachen, möchte die SAIC-Designabteilung vom klassischen Modellbau auf neuste Technologie umsteigen. Und das Schweizer Start-up Holo One bietet genau eine solche Lösung an.

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Dominik Trost bei SAIC: «Diese Firma verkauft Millionen von Autos.»
Aus ECO vom 30.09.2019.
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«Das wäre eine Riesensache. Es ist eine internationale Firma, die Millionen Autos produziert. Die haben einen Anwendungsbereich, der für unsere Lösung entsprechend gross wäre», sagt Dominik Trost, Co-Gründer Holo One, zu «ECO».

Chinesen sind neuen Technologien gegenüber positiv eingestellt. Für Start-ups wie Holo One ideale Voraussetzungen. «In China gibt es grosse Unterstützung seitens der Regierung, um solche Technologien zu fördern. China ist für Holo One nicht nur positiv wegen der Marktgrösse, sondern vor allem auch wegen dieser Unterstützung», sagt Jeffrey Li, Geschäftsleiter Holo One China.

Enge Beziehungen zwischen Schweiz und China

Das Interesse Chinas an Schweizer Firmen hat historische Gründe. Die Schweiz hat die Volksrepublik vor 70 Jahren als eines der ersten Länder der Welt anerkannt.

Chinesisch-schweizerische Zusammenarbeit: Ein Blick zurück

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Ende der 1970er-Jahre legte der Parteiführer Deng Xiaoping mit seinen Reformen den Grundstein für die wirtschaftliche Erfolgsgeschichte Chinas. Die Modernisierung sollte in den Bereichen Industrie, Wissenschaft, Landwirtschaft und Verteidigung stattfinden.

Dabei setzte er auch auf die Schweiz. 1979 empfing er in Peking den damaligen Bundesrat Fritz Honegger. Kaum ein Land wurde in den letzten Jahren so oft empfangen wie die Schweiz.

Auch Schweizer Firmen waren früh aktiv in China. So sagt Geng Wenbing, Botschafter Chinas in der Schweiz, im Interview: «Während viele westliche Länder noch zuschauten und abwarteten, hat die Schweizer Wirtschaft früh etwas unternommen. Sie hat eine Vorreiterrolle gespielt. Dazu gehören Firmen wie Schindler, ABB und Nestlé.»

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Legende: Die Schweiz exportierte zuletzt Waren für fast 30 Milliarden Franken nach China. SRF

China habe ein sehr langfristiges Denken, sagt SECO-Direktorin Marie-Gabrielle Ineichen-Fleisch. Sie studierte Anfang der achtziger Jahre in Peking. «Die Tatsache, dass wir sie als einer der ersten Staaten anerkannt haben, damit beginnt jedes Gespräch. Wenn man sich nicht kennt, steht dies immer am Anfang.»

Dass sie Chinesisch spricht und die Kultur kennt, habe Marie-Gabrielle Ineichen-Fleisch auch bei den Verhandlungen etwa über das Freihandelsabkommen sehr geholfen.

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Marie-Gabrielle Ineichen-Fleisch: «Peking war wie ein grosses Dorf.»
Aus ECO vom 30.09.2019.
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Chinas guter Wille gegenüber der Schweiz fusst aber auch auf knallharter Industriepolitik.

Markus Herrmann Chen, der mit seiner Beratungsfirma Sinolytics Grossunternehmen und Regierungen berät, hält denn auch fest: «Man darf nicht der Vorstellung erliegen, wir seien in einem Markt nach unserem Verständnis.» Immer spiele auch der wirtschaftspolitische Aspekt eine grosse Rolle.

«Das sehen wir bei Firmen, welche mit einem spezifischen Produkt auf dem chinesischen Markt sind und herausfinden, dass es für dieses Produkt einen industriepolitischen Plan gibt».

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Markus Herrmann Chen: «Wir sind nicht in einem Markt nach unserem Verständnis.»
Aus ECO vom 30.09.2019.
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In China bestimmt der Staat alles, und für nahezu alles gibt es einen Plan. Diese Pläne sollte man kennen, bevor man eine Expansion nach China ins Auge fasst.

Vertrauen in Schweizer Lebensmittel

Es muss nicht immer Software sein, um in China Erfolg zu haben. Landwirt Martin Hübscher ist einer von 4300 Milchbauern der Genossenschaft Mooh und deren Präsident.

Täglich transportiert die Genossenschaft rund 1,5 Mio. Kilogramm Milch zu ihren Kunden. Und diese sitzen seit sieben Jahren auch in China.

«Erstens ist China ein starker Wachstumsmarkt im Milchbereich, sie sind Nettoimporteure», sagt Martin Hübscher. «Zweitens sehen wir, dass China sehr viel Wert legt auf hohe Qualitätsstandard. Dass es eine wachsende Mittelschicht gibt, welche bereit ist, für ihre Kinder nur die besten Lebensmittel zu kaufen.»

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Martin Hübscher: «Wir versuchen auch die chinesischen Touristen anzusprechen.»
Aus ECO vom 30.09.2019.
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Zu Beginn stellte die Genossenschaft einen chinesischen Verkäufer ein. Doch das Geschäft kam nicht in Gang. Auch eigene Verkaufsläden in Shoppingmalls führten nicht zum Erfolg. Das sei eine bittere Erfahrung gewesen.

Doch nun setze Mooh auf die Online-Vermarktung: «Wir sind auf den zwei grössten chinesischen Plattformen vertreten. Wir haben gemerkt, dass der chinesische Konsument sich sehr viel nach Hause liefern lässt. Das ist ein sehr viel grösserer Anteil als bei uns. Daran wollen wir teilhaben», so Martin Hübscher zu «ECO».

Die Hartnäckigkeit der Genossenschaft hat sich gelohnt. Seit drei Jahren exportiert sie erfolgreich Käse nach China.

Kultur-Unterschiede überwinden

Acht Jahre – so lange hat es gedauert, bis die Appenzeller und die chinesische Kultur im Takt schlugen.

«Wir in der Schweiz haben ein sehr strukturiertes Vorgehen. Wir haben innovationsgetriebene Ansätze und übernehmen Verantwortung für Entscheidungen, die wir fällen. Das war in China weniger zu spüren», erinnert sich Manuel Inauen.

Der stellvertretende Geschäftsleiter von KUK Electronic – Hersteller von Kupferspulen – reist regelmässig vom Hauptsitz in Appenzell nach China.

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Manuel Inauen: «Der Kulturwandel von einem Appenzeller zu einem Stadt-Schanghaier war schwer zu vermitteln.»
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Inzwischen gilt das Werk in Shanghai mit seinen 200 Mitarbeitern als eines der qualitativ besten der KUK-Gruppe. Ob Schalter für Kaffeemaschinen oder automatische Türöffner – für ein magnetisches Feld braucht es eine Spule.

Das Werk in Shanghai konzentriert sich auf die ganz kleinen Spulen. Diese kommen in der Medizin zur Anwendung. Ein Geschäftsbereich, der zweistellig wächst. «Technologisch ist China unheimlich interessant für uns», so Inauen weiter.

In China geht es für ausländische Firmen längst nicht mehr darum, günstig für den Weltmarkt zu produzieren. Wer im Geschäft bleiben will, muss für chinesische Unternehmen zuliefern können.

Wir haben ein unglaublich gutes Angebot vom chinesischen Staat bekommen.
Autor: Manuel Inauen Stv. Geschäftsleiter KUK

Bald eröffnet KUK ein zweites Werk in China. Komplizierte Verfahren, steigende Lohnkosten, teilweise bis zu sechs Prozent pro Jahr, starke Kontrolle seitens der Regierung – das sind laut Inauen einige der Risiken in China.

Aber: Der chinesische Staat unterstütze auch. «Wir haben ein unglaublich gutes Angebot vom chinesischen Staat bekommen.» Dazu gehören Vergünstigungen, etwa bei den Steuern oder beim Landkauf.

Die drei Beispiele zeigen: In China ist ein Markt vorhanden für die unterschiedlichsten Produkte aus der Schweiz. Sie zeigen aber auch: Wer den chinesischen Markt erobern will, braucht Geduld. Und muss lern- und anpassungsfähig sein.

Interview mit China-Spezialist Ruedi Nützi

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SRF: Gilt der privilegierte Zugang der Schweizer Firma zum chinesischen Markt für alle Firmen?

Ruedi Nützi: Das gilt grundsätzlich für alle Firmen, weil wir ja das Freihandelsabkommen haben. Es gibt eine strategische Partnerschaft im Bereich Innovation. In diesem Sinne sind alle Schweizer Firmen attraktiv für China.

Selbstverständlich wählt China die Firmen aus, von denen sie das Gefühl haben, sie nützen ihnen am meisten.

Für welche Firmen ist China besonders geeignet?

Die Schweizer Wirtschaft ist sehr innovativ und sehr wettbewerbsfähig. Es gilt eigentlich für alle Firmen. China bietet einen riesigen Absatzmarkt, mit einem Mittelstand, der sich immer mehr leisten kann.

Ausserdem können die Schweizer Firmen in China etwas lernen, denn China ist sehr innovativ. Firmen sagen mir, ihre Schweizer Ingenieure lernten in China mehr als in der Schweiz, weil die Herausforderungen in China ungleich grösser seien.

Es gibt auch Firmen, die scheitern. Welches ist der Hauptfehler, den Firmen machen?

Ich spreche nicht gerne von Fehlern. Ich will lieber sagen: Was muss man tun, damit die Erfolgschancen relativ hoch sind? Erstens: Man muss einen langen Atem haben. Zweitens: Man muss sehr viel Präsenz zeigen in China, und zwar die Führungskräfte.

Drittens: Man muss eigene Leute haben vor Ort. Man sollte nicht nur Chinesen kennen, sondern auch Schweizer dort haben. Viertens: Man muss eine realistische Sicht auf China haben. China verändert sich dramatisch. Was vor zwei Jahren gegolten hat, gilt heute nicht mehr. Fünftens: Man muss Selbstbewusstsein an den Tag legen, keine Schweizer Bescheidenheit.

Und: Man muss echtes Interesse an China und an den Menschen in China zeigen.

Ruedi ist Direktor der Hochschule für Wirtschaft an der Fachhochschule Nordwestschweiz. Er führt regelmässig Untersuchungen über die Chancen von Schweizer Firmen in China durch.

Das Interview führte Reto Lipp.

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China-Kenner Ruedi Nützi im Interview
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