Das Wichtigste in Kürze
- Der US-Konzern Live Nation, weltweite Nummer eins in der Gesamtvermarktung von Künstlern, übernimmt das Open-Air Frauenfeld.
- Für viele andere vor allem mittlere und kleinere Festivalanbieter in der Schweiz dürfte es damit deutlich teurer werden, grosse Acts einzukaufen.
- Zugleich ist erwiesen, dass das Publikum längst nicht nur auf grosse Namen schaut, wenn es um die Wahl des Festivals geht.
Der US-Konzern Live Nation hat sich auf die Gesamtvermarktung von Bands und Künstlern spezialisiert. Er nimmt diese für grosse Summen unter Vertrag und organisiert neben weltweiten Konzert-Tourneen auch gleich das gesamte Merchandising, verkauft die Tickets und handelt auch gleich die Übertragungsrechte aus.
Joachim Bodmer vom Openair Frauenfeld spricht von einem Glücksfall. Mit Live Nation sei der stärkstmögliche Partner gefunden worden. Damit sei auch die Zukunft gesichert.
Wenig Freude an diesem «Deal» hat Carlo Bommes, Veranstalter des Berner Gurtenfestivals, das übermorgen auf dem Hausberg eröffnet wird. Ihn stört die wachsende Globalisierung im Musikgeschäft, wo nur noch das Geld regiere. Bommes setzt deshalb schon länger auch auf weniger bekannte, regionale Bands.
Ich finde es einfach nicht gut, dass wir uns so verkaufen, dass am Schluss ein grosser Player alles hat.
Auch Urs Leierer holt bei seinem Blue Balls Festival Luzern vor allem junge Talente auf die Bühne. Aus diesem Grund sei der Anlass auch nicht profitabel genug für einen Giganten wie Live Nation. Veranstalter des Blue Balls Festival ist der Non-Profit-Verein Luzerner Blues Session. «Insofern machen wir Kultur und sind nicht interessant für die kommerzielle Ausschlachtung.»
Überkapazitäten als Preistreiber
Das Hauptproblem ortet Leierer nicht direkt bei einem Grosskonzern, der ins Schweizer Festivalgeschäft einsteigt. Zu schaffen macht ihm vielmehr das Überangebot an Festivals, welches die Preise für Haupt-Acts auf den Bühnen in die Höhe treiben und damit den Marktwert diktieren.
Das Überangebot an Festivals macht uns vor allem zu schaffen.
Diese Überkapazität sei in der Schweizer Festivalszene schon länger ein Thema, bestätigt Michael Schuler, Leiter der Fachredaktion Musik bei SRF: Die Schweiz zählt um die 400 Festivals, wobei auch gewisse Stadtfeste darunter sind. Sie laufen grösstenteils von Anfang Juni bis Ende August. Schuler geht davon aus, das mit dem neuen Player der Kampf um die grossen Namen und um eine gewisse Exklusivität noch zunehmen wird.
Die Trümpfe der Alteingesessenen
Bekannten Festivals wie dem OpenAir St. Gallen, dem Paléo Festival Nyon oder dem Gurtenfestival werde das weniger zu schaffen machen, ist Schuler überzeugt: «Das sind etablierte Festivals, die das Publikum kennt und weiss, dass das Gesamtgefühl stimmt.»
Das Gesamtfeeling ist für das Publikum ebenso wichtig wie die Headliner.
Zu kämpfen haben werden aber laut Schuler vor allem die weniger bekannten, mittelgrossen Festivals. Für sie könnte es künftig immer schwieriger werden, an bekannte Namen zu kommen. Der finanzielle Schnauf könnte ihnen ausgehen.