Die Digitalisierung werde das Geschäft mit Rohstoffen auf den Kopf stellen, sagt Mercuria-Chef Marco Dunand. Der Chef des in Genf beheimateten Konzerns handelt vorwiegend mit Öl und gehört mit gut 100 Milliarden Dollar Umsatz zu den Grössten dieses Sektors.
Dunand liess an einem Branchentreffen unlängst verlauten, er werde immer mehr Verträge in die Blockchain verlegen. Statt auf Papier sind da Dokumente auf unzähligen Rechnern codiert und deponiert. Davon verspricht er sich mehr Effizienz. Denn derzeit braucht die administrative Abwicklung eines Öltransports von Westafrika nach Asien vom eigentlichen Handel bis zur Bestätigung der Zahlung ganze 40 Tage. Via Blockchain gehe das nur noch knapp eine Woche.
Technologien ernster nehmen
Die Initiative von Mercuria-Chef Dunand freut den Londoner Rohstoffhändler Simon Collins. Nachdem er lange für klassische Rohstoffkonzerne gearbeitet hat, setzt Collins mit seiner Online-Plattform «Trade Cloud» nun voll auf den digitalen Handel.
Die Rohstoffbranche habe sich bisher schwer getan mit neuen Technologien, sagt Collins. «Nun nimmt die Branche die digitale Entwicklung aber deutlich ernster.» Davon verspricht er sich mehr Rechtssicherheit.
Wertschöpfungskette nachvollziehen
Papier sei problematisch, denn solche Dokumente seien leicht zu fälschen, sagt Collins. Die Menschen hätten hingegen viel Erfahrung im Online-Handel mit Alltagsgütern. «Und die Leute sehen, dass es funktioniert.» Man müsse zwar noch rechtliche Fragen klären, er sei aber überzeugt, dass bis in fünf Jahren Papierdokumente verschwunden seien.
Rohstoffhändler Collins ortet zudem auch ein wachsendes Bedürfnis der Kunden, zu wissen, woher die Rohstoffe kommen und wie sie gefördert wurden. Via Blockchain könne man die gesamte Wertschöpfungskette nachvollziehen. Und nicht zuletzt würden sämtliche Händler von immer mehr verfügbaren Daten zu Fracht und Reiserouten der rund 25'000 Tankschiffe auf den Weltmeeren profitieren. Dank künstlicher Intelligenz werde der Handel immer effizienter.
Blockchain schafft Klarheit
Andreas Missbach, der Handelsexperte der Organisation «Public Eye», ist ein Kritiker der verschwiegenen Geschäfte in der Rohstoffbranche. Ein transparenter Handel müsste ihn also freuen. Er weist darauf hin, dass der Inhalt eines Tankers während seiner Fahrt unzählige Male den Besitzer wechsle. Da könne eine Abbildung der Geschäfte in der Blockchain gewisse Klarheit schaffen.
Ich bin überzeugt: Bis in fünf Jahren werden Papierdokumente verschwunden sein.
Das Problem sei jedoch, dass die Blockchain-Technologie die Information nur weitertrage. «Die Frage ist, welche Informationen zu sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit überhaupt hineingeschrieben werden.» Da brauche es nach wie vor bessere Kontrollen.
Hoher Stromverbrauch
Missbach ortet noch eine weitere Schwierigkeit: den ökologischen Preis für mehr Klarheit via Blockchain. «Wenn sich diese flächendeckend durchsetzt, wird das zu einer Explosion des Stromverbrachs führen.» Die Blockchain-Technologie sei per se nicht ökologisch nachhaltig.
Mehr Daten machen den Rohstoffhandel transparenter. Die Konzerne müssen umdenken, können aus dem schnelleren Handel mit besseren Daten aber auch direkt Profit schlagen. Mit der neuen Technologie allein wird die Branche aber die bestehenden Bedenken in Sachen Umweltschutz und Menschenrechte kaum ausräumen können.