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Heikles Doppelmandat Die Frau, die Ascom zu neuem Glanz verhelfen soll

Jeannine Pilloud ist Verwaltungsratspräsidentin der Ascom – und seit kurzem auch deren CEO. Ein heikles Doppelmandat.

Wer an Ascom denkt, denkt an Telefonie. Doch bereits seit 15 Jahren steckt Ascom in einer Transformation: Produzierte das Berner Unternehmen einst Telefonapparate, stellt es nun ganze Kommunikationssysteme für Spitäler, Polizeistationen oder auch Gefängnisse her. Alles Orte, die robuste und sichere Anlagen verlangen.

Mit diesem Turnaround aber kommt Ascom nicht so schnell vorwärts, wie versprochen – weswegen der Verwaltungsrat den CEO und die Finanzchefin in den letzten Tagen gleich zusammen in die Wüste schickte. Das Ruder übernimmt nun Jeannine Pilloud. Die 55-Jährige ist im April zur Ascom-Präsidentin erkoren worden.

Verpöntes Doppelmandat

Seit letzter Woche leitet sie auch noch das operative Geschäft. Ein verpöntes Doppelmandat – das sich in Krisenzeiten bewähre, verteidigt sie sich. «Es gibt in der Vergangenheit Beispiele, die zeigen, wie solche Doppelmandate geholfen haben, eine Firma entscheidend weiterzubringen.»

Verwaltungsrat zog die Reissleine

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Holger Cordes
Legende: Keystone

Nach einer enttäuschenden Geschäftsentwicklung im ersten Halbjahr 2019 wurde Konzernchef Holger Cordes Anfang August entlassen. Er hatte den Chefposten bei Ascom vor drei Jahren angetreten. Cordes sollte die Fokussierung der Gruppe auf Kommunikationstechnologie für den Gesundheitsbereich und auf Software vorantreiben. Die ehrgeizigen Wachstums- und Margenziele erreichte das Unternehmen unter seiner Leitung aber nicht. So verfehlte Ascom die Jahresziele für 2018 klar, was auch für Unruhe im Aktionariat sorgte. ( awp )

Die Anleger reagierten auf die Nachricht allerdings ungnädig und verkauften die Ascom-Aktie im grossen Stil. Pilloud meint, das habe nichts mit ihr zu tun: «Der Aktienkurs ist vor allem wegen des Halbjahresresultats in den Keller gerasselt. Deshalb mussten wir als Verwaltungsrat auch entscheiden, den CEO abzulösen und die Verantwortung selber zu übernehmen.»

Verkauf oder Fusion möglich

Pilloud betont, sie habe nie beabsichtigt, Ascom operativ zu führen. Sie habe sich in der Krise zur Verfügung gestellt und werde ihr Doppelmandat auch nur solange behalten, bis der Konzern wieder in ruhigere Gewässer zurück finde. Um das zu erreichen, schliesst Pilloud auch einen Verkauf oder eine Fusion des Berner Traditionsunternehmens nicht aus: «Es werden alle möglichen Lösungen angeschaut. Sie müssen immer überzeugt sein, dass die Aufstellung für den Markt, in dem Sie tätig sind, genau die richtige ist.»

Ob Ascom alleine überleben kann, wird also überprüft – nicht aber die Strategie, sich auf Branchen wie Spitäler oder Polizei zu konzentrieren. An diese Strategie glaubt die frischgebackene Ascom-Chefin. Und für die Arbeit sei sie auch die Richtige. Denn bezüglich Ascom ist sie zwar ein Neuling – «aber was die Telekom und IT-Dienstleistungsbranche betrifft, bin ich ein alter Hase», sagt Pilloud.

Jeannine Pilloud
Legende: Als Leiterin Personenverkehr war Jeannine Pilloud 2011 die erste Frau, die in die Konzernleitung der SBB eintrat. Keystone/Archiv

Denn vor ihrer Zeit bei der SBB arbeitete die ausgebildete Architektin unter anderem bei IBM und der deutschen Telekom. Für diese war sie oft im Ausland unterwegs. Und wird das nun auch für Ascom tun. Denn die meisten Kunden sitzen im Ausland. Und von den 1400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern arbeiten nur noch knapp 100 in der Schweiz.

Insofern knüpft Pilloud mit dem Ascom-Job an ihre Karriere vor der SBB-Zeit an. Und das ist auch der Grund, warum sie dem Migros-Chefsessel nicht nachtrauert, der ihr im März verwehrt blieb. Sie nimmt die Niederlage sportlich, fühlt sich von der Migros nicht verheizt. Im Gegenteil: «Ich bin nach wie vor ein Migros-Kind. Da gibt es keine schlechten Gefühle. Ich verfolge auch die Entwicklungen sehr interessiert.»

Der Job bei Ascom scheint für Jeannine Pilloud demnach kein Notnagel zu sein. Ob sie der ehemaligen Industrieperle, einst eines der grössten Unternehmen in der Region Bern, zu neuem Glanz verhelfen kann – das muss sie nun beweisen.

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