Das Wichtigste in Kürze
- Seit über zwei Jahrzehnten steht der Industriekonzern ABB für Infrastruktur im Energiebereich: Generatoren, Turbinen und Transformatoren.
- Zurzeit richtet sich der Konzern neu auf die Industrie 4.0 aus. Die heute präsentierten Halbjahreszahlen sind entsprechend durchzogen.
- Höhere Rohstoffpreise und Überkapazitäten drücken den operativen Gewinn im 2. Quartal 2017 um sieben Prozent auf 1,042 Mrd. Dollar.
- Der Reingewinn steigt wegen geringerer Restrukturierungskosten um 29 Prozent auf 525 Mio. Dollar. Analysten hatten 580 Mio. Dollar erwartet.
- ABB hofft auf neuen Schwung dank der Digitalisierung und setzt auf Kooperationen mit den IT-Riesen Microsoft und IBM.
Nach wie vor stellt ABB Maschinen für die Energieversorgung her – von der kleinen Diode bis zum grossen Transformer. Doch je länger desto mehr sollen diese Geräte intelligent werden. Sie werden mit Sensoren und Prozessoren bestückt, damit sie untereinander und mit der Zentrale kommunizieren können.
Industrie 4.0 ist das Schlagwort, das diese Entwicklung umschreibt. ABB entwickelt dabei die Software für die einzelnen Bestandteile etwa eines Kraftwerks selbst. Für den Betrieb der gesamten Energieversorgung eines Unternehmens aber setzt ABB auf Zusammenarbeit mit IT-Grössen.
Microsoft sei interessant wegen der Cloud-Dienste, IBM dank der Forschung im Bereich künstliche Intelligenz, heisst es bei ABB. Mit beiden Unternehmen hat der schweizerisch-schwedische Konzern deshalb in den letzten Monaten Kooperationsvereinbarungen unterzeichnet.
Für Panagiotis Spiliopoulos von der Bank Vontobel machen diese Vereinbarungen durchaus Sinn. Die Zusammenarbeit mit Microsoft hält er für die bedeutendere der beiden: «ABB hat sehr viel Erfahrung und Wissen in der Anwendungsentwicklung bei den Endkunden. Es würde aber keinen Sinn machen, wenn der Konzern auch noch zum Cloud-Anbieter mutierte.» Unternehmen wie Microsoft seien dafür besser aufgestellt.
Diverse Unabwägbarkeiten
Zwar gibt es bereits erste Angebote der beiden Partner für Kunden. Sichtbar sind diese Kooperationen in den heute präsentierten Halbjahreszahlen aber noch nicht. Wie stark sie in Zukunft zum Tragen kommen, ist völlig offen.
Beobachter stellen denn auch durchaus kritische Fragen dazu: Kommt es zum Beispiel im Zukunftsmarkt China gut an, wenn ABB zusammen mit einem US-Unternehmen wie Microsoft auftritt, oder weckt das eher Abwehrreflexe?
Sicherheit als grosse Herausforderung
Und was ist mit der Sicherheit der Daten und der digital gesteuerten Prozesse? Theoretisch können Hacker davon profitieren, dass Maschinen in einer Produktionshalle oder Kraftwerke digital gesteuert werden. Die Steuerung macht es Ihnen möglich, Betriebsgeheimnisse zu stehlen oder gar Prozesse aktiv zu stören.
ABB müsse zusammen mit den neuen Partnern massiv in die Sicherheit investieren, sagt Analyst Spiliopoulos. Er kann sich vorstellen, dass gewisse Anlagen gar nicht über das öffentliche Internet, sondern nur privat zugreifbar sind, oder dass die Sicherheit auf eine Stufe analog dem Militär gestellt wird.
Das Problem müsse ernst genommen werden, denn jeder negative Fall werde sich umgehend negativ auf die Partner wie auch auf die ABB auswirken. ABB hofft, die gute Position im Bereich Digitalisierung halten und gar ausbauen zu können.