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Industrie im Krebsgang Ist die Industrie zu wenig sexy?

Krieg, teure Energie, Fachkräftemangel – die Schweizer Industrie versucht trotz allem, die eigenen Stärken zu betonen.

Von einem Krisenherd zum nächsten: Die Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie (MEM) scheint im Dauer-Ausnahmezustand zu sein. Zuerst die Corona-Pandemie und die daraus hervorgehenden Lieferengpässe und stockenden Handelsrouten, dann der Ukraine-Krieg und damit verbunden steigende Energiekosten und Sanktionen sowie weitere geopolitische Spannungen und jetzt der stotternde Konjunkturmotor. Dass es nicht einfach ist, gutes Personal zu finden oder vielversprechende Talente zu identifizieren und auszubilden, kommt noch obendrauf.

All dies bleibt nicht ohne Folgen: Die MEM-Industrie ist im Krebsgang. Im Jahr 2020 brachen die Umsätze um fast 10 Prozent ein, die Exporte um 11 Prozent. Im Folgejahr 2021 dann die grosse Erholung: Die Umsätze legten um 10 Prozent zu, die Exporte um 13 Prozent und 2022 entwickelte sich die Branche besser als erwartet, mit einem Plus von 9 Prozent bei den Umsätzen und 6 im Export.

In diesem Jahr startete die MEM-Industrie zuerst gut im ersten Quartal, seither haben sich die Aussichten aber eingetrübt. Die Aufträge gingen auf das gesamte erste Halbjahr betrachtet um 10 Prozent zurück, die Exporte gaben ebenfalls etwas nach, einzig bei den Umsätzen konnte das Vorjahresniveau gehalten werden.

Akuter Fachkräftemangel verschärft sich weiter

Der Blick in die nahe Zukunft verschafft keine Erleichterung. «Das Winterhalbjahr wird speziell für die Industrie schwierig», sagt Chefökonom Klaus Abberger von der Konjunkturforschungsstelle KOF der ETH. Die Auftragseingänge zeigen abwärts.

Geht es der Industrie schlecht, spüren das auch die Mitarbeitenden. In der Schweizer Industrie sind rund 330'000 Leute angestellt. Zum Vergleich: Die Schweizer Banken beschäftigen 92'000 Personen.

Trotz Krebsgang: Die Branche leidet unter akutem Fachkräftemangel. Ingenieure und Polymechaniker fehlen und bis jetzt schafft es die Branche nicht, sich als attraktiven Arbeitsort für Frauen zu positionieren. Und das Fachkräfteproblem wird nicht kleiner werden, im Gegenteil. Die demografische Entwicklung steht an einem Wendepunkt: «Ab diesem Jahr gehen mehr Schweizer Leute in Rente, als neue nachkommen. Dieser Bruchpunkt ist jetzt erreicht und das wird jetzt jedes Jahr stärker», sagt Abberger.

Ein Wahrnehmungsproblem?

Wie kann es also die Industrie schaffen, aus diesem Malheur herauszufinden? Ist die Industrie als Branche einfach zu wenig sexy? Michael Hauser, Verwaltungsratspräsident von Starrag und CEO von Tornos, befürchtet, dass dies zutreffe und auch zu wenig in die Werbung investiert werde.

Dagegen hält hingegen Peter Fischer, Verwaltungsratspräsident von Fischer Reinach: «Die Industrie ist schon sexy, sogar sehr sexy, gerade auch für junge Leute. Weil wir genau an all diesen Themen arbeiten, die diese Jungen beschäftigen. Klimawandel et cetera. Wir entwickeln die Lösungen für diese Probleme.»

Gemeinsam vertrauen aber die Industrievertreter auf die Tugenden ihrer Branche. Sie sei resilient und innovativ. Und bereits in der Vergangenheit sei man gezwungen gewesen, sich ständig wieder neu erfinden zu müssen.

Eco Talk, 09.10.2023, 22:25 Uhr

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