Bei digitalem Geld denken viele zuerst an den Bitcoin. Das ist aber bloss eine von unzähligen Kryptowährungen. Ihre Zahl wird mittlerweile auf mehr als 1300 geschätzt. Ein Grund: Jeder kann auf einer Blockchain sein eigenes Geld lancieren. Firmen haben darin eine Möglichkeit entdeckt, sich über eigene digitale Münzen (Coin oder Token) zu finanzieren, über ein sogenanntes Initial Coin Offering (ICO).
ICO oder Börsengang (IPO)?
Eine Firma kann über ein ICO Geld aufnehmen wie bei einem klassischen Börsengang, einem Initial Public Offering (IPO) auch. Die meisten Startups finanzieren sich aber zu einem früheren Zeitpunkt über ein ICO.
«ICO und IPO schliessen sich nicht gegenseitig aus», sagt Malik ElBay, Berater für Blockchain-Technologien, der selber schon erfolgreich ein ICO für das Startup modum.io durchgeführt hat. Die neue Form der Kapitalbeschaffung stehe nicht zwingend in Konkurrenz zu Banken und Börse sondern eher zu den Risiko-Kapitalgebern. Die stünden entsprechend unter Zugzwang, so Malik ElBay.
Wie läuft ein ICO ab?
Investoren kaufen vom Startup sogenannte Token. Die sind vergleichbar mit Chips im Roulette oder mit den Münzen einer Währung (Englisch: Coin). Der Verkauf von Token wird über eine Blockchain abgewickelt. Die kann man sich als eine Art Buchhaltung vorstellen. So wird festgehalten, wer wie viele Token besitzt.
Die Leute sollen sich zuerst informieren. Sie sollen sich Fragen stellen zu einer ICO.
Token stehen für einen bestimmten Wert, eine Gegenleistung, die das Startup vor der ICO festlegt. Das kann eine Beteiligung an zukünftigen Gewinnen der Firma sein oder die Möglichkeit, eine Dienstleistung zu benutzen.
Ein Beispiel: Eine junge Band könnte eine Konzert-Tournee über ein ICO vorfinanzieren. Sie gibt dafür 20’000 Token heraus, jeder kostet 10 Franken und berechtigt zu einem Konzertbesuch.
Ein Investor, der 100 Token kauft, kann nun mit Freunden und Familie Konzerte besuchen, falls er Freude an der Musik hat. Token werden so zu einer Währung, über die man die Dienstleistung des Startups beziehen kann.
Vielleicht interessiert sich der Investor aber einen Deut für die Band und hat die Token nur gekauft, weil er denkt, dass er sie später teurer verkaufen kann an Leute, die unbedingt an ein Konzert wollen. Token lassen sich über die Blockchain ganz einfach weiter verkaufen oder gegen andere Token tauschen.
Was bringt ein ICO dem Unternehmen?
Im Vergleich zu traditionellen Finanzierungsmethoden kommt ein Startup über ein ICO sehr schnell zu viel Geld. Das liege daran, dass im Gegensatz zur traditionellen Finanzierung mit Risikokapital auch Menschen mit kleinem Budget investieren können und Landesgrenzen keine Rolle spielten, sagt Malik ElBay.
Ein Beispiel: Im September führte das Zürcher Startup modum.io ein ICO durch. Innert fünf Stunden nahm die jungen Unternehmer über die Blockchain 10 Millionen Dollar ein. Risikokapitalgeber hatten in einer ersten Finanzierungsrunde 500’000 Franken investiert.
Buchstäblich über Nacht zu einem Vermögen kommen, das klingt verlockend. Ganz so einfach sei es aber nicht, sagt Malik ElBay: «Nur 20 Seiten Dokumentation für ein paar Millionen Dollar – das reicht nicht.» Er hat als damaliger Geschäftsleiter die modum.io ICO geplant. Das Startup hatte zuvor bereits mehr als ein Jahr an seinem Produkt gearbeitet, einem Gerät zur Überwachung der Temperatur bei Medikamentenlieferungen. Zudem sei das Unternehmen gut vernetzt gewesen, meint Malik ElBay.
Wie schwierig ist es, als Investor bei einer ICO mitzumachen?
Man braucht natürlich Geld, ein Konto auf der Blockchain und Kenntnisse, wie man damit eine Überweisung auslösen kann.
Für viele mag das Neuland sein und deshalb nicht ganz trivial. «Das ist auch gut so» findet Malik ElBay. «Die Leute sollen sich zuerst informieren.» Sie sollen sich Fragen stellen: Macht das Konzept des Unternehmens Sinn? Wer steckt hinter der Firma und welche Fähigkeiten haben diese Leute? Können die das, was sie versprechen? Was hat das Team vorher geleistet?
Immer mehr Unternehmen entscheiden sich für ein ICO. Nicht alle sind seriös, einige sind Betrüger, die auf das schnelle Geld aus sind und dann abtauchen. Andere wiederum halten sich nicht an geltendes Recht. Die Aufsichtsbehörden in verschiedenen Ländern haben deshalb ICOs verboten, so zum Beispiel China und Südkorea.
Es gibt nach wie vor spannende ICO-Projekte, die mich überzeugen.
Für Aufsehen sorgte das Tezos ICO. Die Stiftung mit Sitz in Zug nahm im vergangenen September mehr als 230 Millionen Dollar ein. Weil der Wert verschiedener Kryptowährungen in den vergangenen Monaten stark angestiegen ist, dürfte das Vermögen der Stiftung noch angewachsen sein. Doch statt wie versprochen das Geld in die Entwicklung einer neuen Blockchain-Technologie zu stecken, ist ein Streit zwischen den Verantwortlichen entbrannt, der alles lahmlegt.
In der Schweiz beobachtet die FINMA den ICO Markt und schreitet ein, wenn ein Unternehmen gegen geltendes Recht verstösst. Die Behörde führt zudem eine Warnliste mit verdächtigen Firmen . Das Dokument ist bereits auf mehr als 600 Einträge angewachsen.
Malik ElBay ist trotzdem überzeugt, dass sich nach wie vor auch seriöse Firmen über eine ICO finanzieren wollen. Für sie kann es eine einmalige Chance sein, sich zu finanzieren.