Die Ankündigungen von Roche und Novartis, Milliarden in den USA zu investieren, sorgten jüngst für Aufsehen und lösten hierzulande Sorgen über eine Standortschwächung aus. Die Reaktion von Michael Nawrath, Pharma-Analyst beim Finanzunternehmen Octavian, fällt kurz und prägnant aus: «Präsident Trump mag grosse Zahlen.»
Ich gehe davon aus, dass Roche und Novartis diese Ankündigungen eng mit dem Bund abgestimmt haben.
Die beiden Pharma-Schwergewichte seien mittlerweile massgeblich für den Handelsüberschuss mit den USA verantwortlich. Würden künftig mehr Medikamente in den Vereinigten Staaten hergestellt, dürfte auf Seiten der Trump-Regierung ein grosses Ärgernis wegfallen. «Ich gehe davon aus, dass Roche und Novartis diese Ankündigungen eng mit dem Bund abgestimmt haben.»
Die Schweiz hat ihren Platz im weltweiten Pharmanetzwerk
Die Investitionen in den USA dürften vor allem als Vorsichtsmassnahme gewertet werden, meint Nawrath. Noch immer ist unklar, mit wie viel Prozent die USA Pharmaprodukte besteuern wollen – laut dem Experten seien 25 Prozent aber weiterhin realistisch. «Diese Kosten können die Firmen unmöglich auf die Patienten umwälzen.» Dementsprechend sei die Auslagerung in die USA nur konsequent gewesen.
«Die weltweiten Lieferketten sind mittlerweile darauf optimiert, dass termingerecht geliefert werden kann – egal von wo», erklärt Nawrath. Ein wichtiger Bestandteil dieser Strategie seien auch Produktionsstätten am wichtigsten Pharmastandort der Welt.
Roche und Novartis investierten schon seit Jahrzehnten in den USA. «Die Logistik dort funktioniert prima», erklärt Michael Nawrath. Weitere Investitionen seien also schon lange vor Trumps Amtsantritt sinnvoll gewesen. Die daraus resultierenden Jobs dürften für alle Parteien wünschenswert sein.
Was bedeutet das aber für den Pharmastandort Schweiz? Michael Nawrath reagiert diesbezüglich deutlich: «Ich erwarte keinen Stellenabbau.» Seit Jahren würde gerade der wichtige Standort Basel für Stabilität bei den Steuern für beide Pharmariesen sorgen – und so attraktiv bleiben.
Wie wichtig das ist, zeigt Nawrath am Beispiel Irland, das mit tiefen Unternehmenssteuern punktet: «Die Insel ist so beliebt geworden, dass zum Beispiel der US-Pharmariese Merck rund 25 Prozent seiner Produkte in Irland produziert, von denen ein signifikanter Anteil zurück in die USA reimportiert wird.» Kurzum: Grosse Sorgen müsse man sich um die Schweizer Pharmabranche derzeit nicht machen. «Ich halte das Ganze für einen ziemlichen Sturm im Wasserglas.»
Trumps Politik und die Risiken für den Pharmastandort USA
Auswirkungen könnten Trumps Ankündigungen langfristig aber schon haben – allerdings in umgekehrter Richtung.
Der US-Präsident attackiert zurzeit die Elite-Universitäten des Landes – und damit einen der massgeblichen Gründe, weshalb die USA weltweit im Sektor führend seien, wie Michael Nawrath erklärt. «Ende der 1970er-Jahre setzte ein Braindrain (Anm. d. Red. Abwanderung von Hochqualifizierten) in Richtung USA aus Europa ein, weil zusätzlich zu den akademischen Anreizen auch die Kultur für Risikokapital ausgeprägter war und bis heute ihresgleichen sucht.» Würden die USA nun durch Trumps Politik an Attraktivität verlieren, könnten ausländische Forschende auf andere Länder ausweichen.
Während der Experte also für den Pharmastandort Schweiz mit keinen markanten Negativfolgen durch Trumps Politik rechnet, könnte dies paradoxerweise umgekehrt sehr wohl der Fall sein.