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Benjamin Friedman: «Die Notenbanken kommen immer zu spät»
Aus Echo der Zeit vom 24.09.2022. Bild: Keystone/Apa/Barbara Gindl
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Kampf gegen die Teuerung US-Ökonom analysiert die Mühen der Notenbanken mit der Inflation

Ist die Inflation ausser Kontrolle? Nein, sagt Harvard-Doyen Friedman. Aber sie zu bekämpfen, war schon einfacher.

Die Notenbanken erhöhen momentan reihenweise ihre Leitzinsen – teils kräftig. Damit wollen sie die schmerzhaft hohe Inflation bremsen. Das ist der Kernauftrag von Notenbanken: Doch dieses Mal sei alles schwieriger, sagt Benjamin Friedman.  

Der 78-jährige Doyen der US-Geldpolitik hatte 1969 bis 1971 den US-Präsidenten Richard Nixon beraten und erforscht die Geldpolitik nun schon seit 50 Jahren an der Harvard-Universität. Er war diese Woche auf Einladung der Schweizerischen Nationalbank in Zürich, als Ehrengast an einem Branchenanlass. Im Gespräch mit SRF vergleicht er die heutige Situation mit früheren Phasen hoher Inflation. 

Angebotsschock oder Nachfrageschock? 

In den 1970er-Jahren, zum Beispiel, war der Auslöser für die Preisspirale vermeintlich ähnlich wie heute. Treiber war damals ein Schock beim Ölpreis, also auf der Angebotsseite. Auch dieses Mal schossen schon früh die Energiepreise in die Höhe. Doch Benjamin Friedman sagt: «Der Angebotsschock in den 1970er-Jahren war viel stärker konzentriert auf einen Markt als heute.»  

Die Geldpolitik in der Wirtschaft beeinflusst die Nachfrageseite, nicht die Angebotsseite

Heute fehlt es nicht nur an Öl und Gas: «Die Leute reden wegen des Ukraine-Krieges über Energieknappheit und über ausgefallene Getreidetransporte. Aber es fehlt auch an Computer-Chips und neuen Autos.» Das lässt die Preise auf breiter Front steigen. Diese Art der Inflation sei für Notenbanken viel schwieriger zu bekämpfen, sagt der Harvard-Ökonom: «Ja, denn die Geldpolitik in der Wirtschaft beeinflusst die Nachfrageseite, nicht die Angebotsseite.» Notenbanken könnten mit ihrer Geldpolitik die Nachfrage nach Gütern steuern, aber nicht das Angebot, erklärt der 78-Jährige.  

Notenbanken hinken Inflation hinterher 

Das Prinzip der Geldpolitik ist simpel: Steigen die Zinsen, lohnt es sich für Unternehmen und Haushalte, mehr zu sparen und weniger zu konsumieren. Das bremst die Nachfrage nach Gütern und dämpft damit die Preise. Doch weil es momentan vor allem beim Angebot klemmt, greift dieser klassische Hebel der Geldpolitik nur bedingt.  

Hätte es geholfen, wenn die Notenbanken früher eingegriffen hätten? Friedman überlegt und sagt: «Ja, wahrscheinlich schon.» Er fügt aber an, Notenbanken seien immer zu spät dran: «Wann immer eine Notenbank merkt, dass sie ihre Geldpolitik ändern muss, wünscht sie sich immer, bereits früher gehandelt zu haben.» 

Ein «soft landing»? Kaum! 

Dass der Kampf gegen die Inflation dieses Mal schwieriger ist als in früheren Phasen, muss laut dem US-Wissenschafter nicht zwingend heissen, dass der Kampf länger dauert. Gut möglich, dass sich die Lieferkettenprobleme und Produktionsengpässe lösen, und dass sich mit Spar-Appellen und neuen Energiequellen die Strommangellage im Winter verhindern lässt. Dann würde sich das Problem der steigenden Preise entschärfen. 

Die Geschichte zeigt, dass das kaum je gelingt.

Friedman, der die Geschichte der Geldpolitik à fonds erforscht hat, sagt: «Ich bin zuversichtlich, dass die Inflation in den nächsten zwei Jahren wieder auf ein ‹normales› Niveau sinken wird.» Der Weg dorthin könnte allerdings schmerzhaft werden. Die Angst vor einer Rezession zieht immer breitere Kreise, weil die aggressiven Zinserhöhungen der Notenbanken das Wirtschaftswachstum ausbremsen.

Die Kunst – gemäss Lehrbuch – ist, ein sogenanntes «soft landing» hinzubekommen; also, die Inflation auf die üblichen 2 Prozent zu drücken, ohne die Wirtschaft komplett auszubremsen. Kann das gelingen? Friedman sagt nüchtern: «Die Geschichte zeigt, dass das kaum je gelingt.»

Echo der Zeit, 24.9.2022, 18 Uhr

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