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Kampf gegen Keime Desinfektionsmittel-Fabrik sucht keine neuen Kunden

Die Desinfektionsmittel-Herstellerin B Braun Medical arbeitet derzeit im Schichtbetrieb, um alle Bestellungen abzuarbeiten. Das Coronavirus beschert der Sempacher Spezialfabrik viele zusätzliche Bestellungen aus aller Welt.

Der Rundgang bei der B Braun Medical in Sempach beginnt beim riesigen Lagerturm. In vier Tanks mit je 19’000 Litern lagern entzündliche Rohmaterialien für Desinfektionsmittel. Produktionsentwickler Andreas Arndt weist auf den Lärm der Lüftung hin: «Diese verhindert, dass hier Luft staut, die zu einer Verpuffung führen könnte». Zudem sei der Turm so gesichert, dass selbst bei einem Leck nichts in den nahen Sempachersee fliessen könne.

Täglich fahren Tanklastwagen vor

«Lagern» ist etwas übertrieben in diesen besonderen Tagen. Denn täglich fahren mehrere Tanklastwagen Nachschub heran. Seit auch in Europa immer mehr Ansteckungen mit dem Coronavirus bestätigt werden, laufen die Telefone bei der B Braun Medical heiss.

Die flüssigen Desinfektionsmittel für die Hände, Oberflächen, medizinische Geräte und zur Wundreinigung sind schon in normalen Jahren in Spitälern und bei Medizinal-Grosshändlern beliebt. Die Keimbekämpfer werden in 60 Länder verschickt. B Braun Medical hat die Produktion in den letzten Jahren immer wieder ausgebaut. Dennoch musste die Firma jetzt einen Schichtbetrieb einführen, um alle Bestellungen abarbeiten zu können.

Nachschub von Rohstoffen gesichert

«Wir liefern derzeit nur an Stammkunden», sagt Finanzchef Reto Fleischlin. Neue Geschäftskunden müssen derzeit hinten anstehen. Privatkunden haben keine Chance: «Wir könnten den Vertrieb gar nicht stemmen.» Genau wie andere Firmen und Grosshändler in diesem Bereich, die SRF kontaktiert hat, sagt auch Fleischlin: «Bitte rufen Sie uns nicht an.»

Schweizer Desinfektions-Experten

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Der Schweizer Hauptsitz der B Braun Medical in Sempach
Legende: SRF

B Braun Medical ist ein als Familienunternehmen organisierter deutscher Konzern mit weltweit gegen 16'000 Mitarbeitern. In sechs Generationen entwickelte sich die 1839 von Julius Wilhelm Braun in der nordhessischen Stadt Melsungen gegründete Versandapotheke für heimische Kräuter zu einem Hersteller von rund 5000 Produkten des medizinischen Bedarfs. In der Schweiz beschäftigt B Braun Medical etwas über 1000 Mitarbeitende an sieben Standorten. In Sempach sind 200 Leute mit der Entwicklung und Produktion einer breiten Palette an hochwirksamen Desinfektionsmitteln betraut. B Braun Medical beliefert Spitäler und den Medizinischen Fachgrosshandel. Sie ist nicht im Privatkundenbereich tätig.

Im Moment sei der Rohstoff-Nachschub noch kein Problem, sagt der Finanzchef: «Beim Alkohol haben wir im Moment keine Engpässe. Da können wir auf unseren Schweizer Lieferanten vertrauen.» Das viele Wasser, das die Produktion braucht, bereitet die Firma selbst auf. Heikler könnte es den Chemikalien werden, die in geringerer Menge gebraucht werden. Von China seien sie kaum abhängig, betont Fleischlin. Schlimmer wäre es, wenn die Versorgung aus europäischen Ländern, zum Beispiel aus Italien, versiegte.

Die Herstellung der Desinfektionsmittel sieht nicht sehr komplex aus: Rohstoffe werden in riesige Kessel geschüttet und dort vermischt. Sie ist aber heikel, weil flüssige und feste, teils giftige, teils entzündliche Stoffe verrührt werden müssen. Jeder in einer genauen Menge, mit einer jeweils präzisen Verarbeitungstemperatur.

Schichtarbeit auch am Sonntag

Der Prozess im Werk Sempach ist hoch automatisiert. In der Produktionshalle sind nur wenige Angestellte zu sehen. Diese gehen ruhig ihrer Arbeit nach. Trotz der stark gestiegenen Nachfrage bricht keine Hektik aus, auch wenn die Firma neu einen Schichtbetrieb eingeführt hat, der auch am Sonntag läuft.

Neuartige Viren sind eigentlich nicht die grösste Herausforderung von B Braun Medical. Sondern der Kampf gegen die bekannten Keime in einem globalisierten Medizinalmarkt. In fast jedem der 60 Länder, die B Braun beliefert, gibt es eigene Regelungen für Desinfektionsmittel. Immer häufiger steht die Firma zudem vor der Frage, wie man resistente Keime mit Mitteln bekämpft, die für die Patienten noch sicher sind. «Ein ständiger Balanceakt», sagt Reto Fleischlin. Einer, der die Firma offenbar immer noch mehr beschäftigt als die Diskussion um Corona.

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