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Konflikt im Detailhandel Die Angst der Gemüsebauern vor Coop

Der Detailhändler will einen «Bonus» von seinen Gemüse- und Früchtebauern. Die Entrüstung ist gross – aber nur anonym.

Stefan Flückiger hat bei der Wettbewerbskommission eine Anzeige eingereicht. Mehr als zehn Gemüse- und Früchteproduzenten hätten sich bei seinem Verein «Faire Märkte Schweiz» gemeldet.

Im April war ein Schreiben von Coop eingegangen. In einer «Konditionsvereinbarung» kündigt das Unternehmen an, dass ab 2026 3 Prozent der in Rechnung gestellten Summe als sogenannter «Bonus» an Coop fliessen soll.

Stefan Flückiger sagt: «Unser Verdacht ist ganz klar, dass die Stellung von Coop als marktmächtige oder sogar marktbeherrschende Unternehmung missbraucht worden ist. Und das ist gemäss Kartellrecht unzulässig.»

Coop führt als Begründung ein neues Bestell- und Logistiksystem an, das es seinen Produzenten und Produzentinnen zur Verfügung stelle. Das Unternehmen schreibt dazu: «Im Rahmen unserer neuen bedarfsgerechten Bestellung erhalten die Produzenten die definitiven Bestellungen früher, verfügen somit über mehr Planungssicherheit und gewinnen an Effizienz, die auch für die Lieferanten mit Kostenvorteilen verbunden sind.»

Jeder Produzent muss davon ausgehen, dass er nicht mehr liefern kann.
Autor: Stefan Flückiger Präsident «Faire Märkte Schweiz»

Der Ärger ist gross, aber der Mut, offen Stellung zu beziehen, klein. Stefan Flückiger sagt: «Jeder Produzent muss davon ausgehen, dass er ausgelistet würde, dass er nicht mehr liefern kann. Das wäre quasi die Höchststrafe.» Es könne sich niemand leisten, Coop oder Migros als Abnehmer zu verlieren.

Coop-Logo auf Gebäude.
Legende: Lieferanten wollen anonym bleiben, aber Coop sieht sich als dialogbereit. Keystone / Gaetan Bally

Katja Riem sagt, dass der Ton im Handel rau geworden sei. Die SVP-Nationalrätin ist Präsidentin der Gemüseproduzenten-Vereinigung der Kantone Bern und Freiburg (GVBF). Weil sie selbst als Weinbäuerin nicht von der Regelung betroffen sei, könne sie für sie das Wort ergreifen. «Die Produzentinnen und Produzenten, die direkt mit den Grossverteilern verhandeln müssen, stehen immer etwas unter Druck und können viel weniger gut über diese Themen sprechen. Denn sie wissen genau: Wenn ich das zu eng anspreche, dann kann ich nicht mehr liefern.»

Coop zeigt sich jederzeit dialogbereit.
Autor: Pressestelle Coop

Coop wehrt sich gegen diese Vorwürfe und nimmt schriftlich Stellung: «Coop zeigt sich jederzeit dialogbereit. Die Produzenten können sich direkt an uns wenden. Wir stehen auch aktuell in direktem Kontakt und führen konstruktive bilaterale Gespräche. Die Bestellungen werden wie gewohnt getätigt.» Man werde mit der Wettbewerbskommission kooperieren und deren Einschätzung abwarten.

Stefan Flückiger weiss ebenfalls, dass inzwischen über die neue Regelung verhandelt werde. Kleinere Produzenten aber hätten sich nicht getraut und längst unterschrieben.

Was andere Detailhändler sagen

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SRF hat Migros, Lidl, Aldi und Volg gefragt, ob sie ein ähnliches System wie Coop planen. Alle verneinen. Sie schreiben:

  • Migros: «Nein, die Migros plant kein Bonus-System bei Früchten oder Gemüse. Wir fokussieren uns auf eine enge Zusammenarbeit, um kostenverursachende Anforderungen laufend zu reduzieren. Zudem werden die Preissenkungen über interne Effizienzgewinne und dank der Fokussierung auf unser Kerngeschäfts realisiert. Die tieferen Preise gehen ausdrücklich nicht auf Kosten von Landwirten und Produzenten. Die Migros bezahlt marktübliche Preise und die Bauern bekommen nicht weniger Geld für ihre Produkte.»
  • Lidl: «Lidl Schweiz plant aktuell keine Einführung eines ähnlichen Bonus-Systems. Für Lidl Schweiz ist es zentral, einen fairen Umgang mit unseren Lieferanten auf allen Ebenen zu pflegen. Nur durch faire und langfristige Geschäftsbeziehungen ist es uns möglich, unseren Lieferantenstamm laufend zu erweitern, zu pflegen und die geforderte Produkt- und Servicequalität unseren Kundinnen und Kunden täglich bereitzustellen. Unsere Lieferantenbeziehungen sind langfristig angelegt und geprägt von Dialog, Vertrauen und Verantwortung, dies unterstreichen auch die langfristigen Beziehungen, die wir seit unserem Markteintritt in der Schweiz pflegen. Das schafft unter anderem die Basis für faire Geschäftsbedingungen.»
  • Aldi: «Ein solches oder ähnliches Rückvergütungssystem ist bei uns derzeit nicht vorgesehen. Für uns steht eine faire und partnerschaftliche Zusammenarbeit mit unseren Produzenten im Mittelpunkt. Insbesondere gegenüber der Schweizer Landwirtschaft setzen wir auf langfristige Kooperationen, die Perspektiven bieten und die Wirtschaftlichkeit der Betriebe nachhaltig sichern. Wir arbeiten mit den tiefsten Margen im Schweizer Detailhandel. Dadurch können wir einerseits die tiefsten Preise in den Verkaufsregalen bieten und gleichzeitig unsere Lieferanten marktgerecht bezahlen. Grundlage dafür ist unsere schlanke Organisationsstruktur, die es uns ermöglicht, die Logistikkosten tief zu halten.»
  • Volg: «Nein, Volg hat und plant kein solches Bonus-System gegenüber den Schweizer Bauern. Als Tochterunternehmen der fenaco Genossenschaft ist Volg eng mit der Schweizer Landwirtschaft verbunden – sei es über die Landwirtinnen und Landwirte, über Produzentenorganisationen oder über die direkte Zusammenarbeit mit lokalen Produzenten im Rahmen unseres Labels «Feins vom Dorf». Im Rahmen der Richtpreise der Branchenorganisationen gelingt es uns, über alle Stufen hinweg eine ausgewogene und tragfähige Preisfindung zu erreichen.»

Tagesschau, 11.6.2025, 19:30 Uhr

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