Zum Inhalt springen

Konkurs von Unternehmen 50 Prozent mehr Pleiten – der Beginn einer neuen Welle

Es ist ein aussergewöhnlicher Anstieg: 1400 Firmenkonkurse allein im Juni, plus 50 Prozent. Und das ist erst der Anfang. Ein neues Gesetz führt zu mehr Pleiten.

Die neuesten Zahlen: «Das Ausmass des Anstiegs der Firmenkonkurse im Juni ist erstaunlich», sagt Claude Federer, Chef des Gläubigerverbandes Creditreform. Der Experte beobachtet die Entwicklung von Firmengründungen und Konkursen seit 30 Jahren. Dass es dieses Jahr mehr Konkurse gebe, damit habe man gerechnet. Verblüffend sei allerdings das Ausmass, sagt Federer gegenüber SRF. Bereits im Mai gab es einen sprunghaften Anstieg. Dieser hat sich im Juni bestätigt. Es handelt sich also nicht um eine monatliche Schwankung, sondern um den Beginn einer neuen Phase.

Neues Gesetz als Treiber: Ausschlaggebend für den sprunghaften Anstieg ist eine Gesetzesrevision. Firmen, die dem Staat Geld schulden, werden viel härter angepackt. Sie können seit einem halben Jahr in Konkurs geschickt werden. Öffentlich-rechtliche Stellen, etwa Gemeinden und Kantone, können Konkursverfahren einleiten, wenn zum Beispiel die Steuern und Gebühren nicht bezahlt werden. Das ist neu. Vorher waren nur Pfändungen möglich. Bei der Pfändung wurde nur geprüft, ob es Vermögenswerte gibt, um einzelne Schulden zu begleichen. Wenn nicht genug da war, gab es für das Steueramt einen Verlustschein und mehr nicht.

Wie kam es zur Gesetzverschärfung?

Box aufklappen Box zuklappen

Die neuen Bestimmungen stehen in Zusammenhang einer breiteren Reform des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs SchKG. Auslöser war eine Motion vor knapp 15 Jahren, Nationalrat und Ständerat behandelten damals die Revision und stimmten den Anpassungen vor 3 Jahren zu. Eine der Anpassungen betrifft Artikel 43 des SchKG. Darin war bisher vorgesehen, dass öffentlich-rechtliche Forderungen wie Steuern, Mehrwertsteuer, Bussen, Sozialversicherungen, Abgaben und Gebühren nur mit einer Pfändung eingefordert werden konnten. Diese Regel wurde Anfang Jahr verschärft. Mit der härteren Gangart soll erreicht werden, dass ein überschuldetes Unternehmen nicht noch mehr Schulden machen kann und so zusätzliche Gläubigerinnen und Gläubiger zu Schaden kommen.

Verschärfung zeigt sich erst jetzt: Die neuen Bestimmungen wurden zwar Anfang Jahr eingeführt, die Auswirkungen sind aber erst jetzt in der Statistik sichtbar. Das hat mit den Fristen und Abläufen der Verfahren zu tun. Wenn eine Firma zum Beispiel der Gemeinde die Gebühren nicht bezahlt, gibt es zunächst Mahnungen. Bleibt die Zahlung aus, folgt die Betreibung durch eines der rund 400 Schweizer Betreibungsämter. Danach beginnen die entsprechenden Verfahren und schliesslich entscheidet der Konkursrichter. Das braucht Zeit.

Schild mit Aufschrift Konkursamt
Legende: Neu können öffentlich-rechtliche Stellen Firmen beim Konkursamt melden, wenn diese ihre Rechnungen nicht bezahlen. Keystone / Christian Beutler

Anfang einer Welle: Aufgrund der neuen Zahlen und aktuellen Entwicklung hat Experte Claude Federer die Prognosen für die Firmenkonkurse nach oben korrigiert. Im laufenden Jahr könnten laut seinen Schätzungen 14'000 Unternehmen in Konkurs gehen, so viele wie noch nie. Es wären 2500 mehr als im Vorjahr. Der Anstieg führt auch dazu, dass die Konkursämter viel mehr Arbeit zu bewältigen haben, zum Teil wurden zusätzliche Stellen geschaffen.

Wer ist betroffen: Unter den konkursiten Firmen gibt es etliche Kleinstbetriebe mit nur wenigen Angestellten. Handwerksbetriebe, Firmen aus dem Bau, Detailhändler und Imbissstellen aus der Gastronomie. «In verschiedenen Branchen sind die Hürden für eine Firmengründung tief. Das hat in den vergangenen Jahren in der Schweiz zu einem regelrechten Boom bei den Gründungen geführt», sagt Federer. Doch nun schlage das Pendel zurück und die Konkurswelle werde mit dem neuen Gesetz verschärft.

Gleich lange Spiesse: Die Befürworter der Revision argumentierten, dass die Verschärfung Vorteile bringe. Säumige Firmen können nicht noch mehr Schulden machen, sie werden früher gestoppt. Private Gläubiger schrecken oft zurück Konkursverfahren einzuleiten, denn sie sind teuer. Wer Geld einfordert, muss für die Eröffnung eines Verfahrens einen Vorschuss von zum Beispiel 2000 Franken leisten. Viele Gläubiger sind zurückhaltend: Die Erfahrung zeigt, dass bei vielen Konkursfällen nur noch wenig Geld zu holen ist. Die Anpassung des Gesetzes löst eine neue Dynamik aus. Firmen, die knapp bei Kasse sind und weitere Schulden generieren, werden härter angepackt. Dies zeigt sich nun erstmals in den Zahlen.

SRF 4 News, 4.7.2025, 16:30 Uhr;liea

Meistgelesene Artikel