Das Wichtigste in Kürze
- Trotz Fachkräftemangel gibt es mehr hochqualifizierte Arbeitslose in der Schweiz.
- Unternehmen sind mitschuld: Sie suchen nur nach 100prozentiger Übereinstimmung – und finden diese im Ausland.
- RAVs wollen die Kommunikation zu den Unternehmen verbessern.
Obwohl in der Schweiz unbestritten ein Fachkräftemangel zu beobachten ist, nimmt die Zahl hochqualifizierter Arbeitsloser deutlich zu: Allein im Kanton Schaffhausen ist der Anteil Fachkräfte an den Stellensuchenden insgesamt von vier Prozent im Jahr 2008 auf rund 20 Prozent aktuell gestiegen.
Anteil qualifizierter Fachkräfte bei den RAVs steigt
Eine genaue Differenzierung, in welchen Berufen tatsächlich Mangel herrscht, ist somit hilfreich. Ärzte und Ingenieure etwa sind in der Schweiz zu wenig vorhanden. Das zeigt der Mängelindikator für 97 Berufe, den das Amt für Wirtschaft und Arbeit (AWA) des Kantons Zürich erarbeitet hat. Unternehmen müssen für ihre freien Stellen auf ausländische Fachkräfte zurückgreifen. Dagegen ist beispielsweise der Mangel an medizinischen und pharmazeutischen Fachkräften schon deutlich geringer (siehe «Mängelindikator» Seite 6 rechts sowie Tabelle unten).
Ein Teil des Fachkräftemangels liesse sich bei genauerem Hinsehen somit im Inland decken. Das bestätigen auf Anfrage von «ECO» die AWAs Zürich, Aargau, Solothurn und Schaffhausen. Gleichzeitig steigt bei vielen Regionalen Arbeitsvermittlungszentren RAV die Zahl der Fachkräfte mit Hochschulabschluss, die sich arbeitslos melden.
Unternehmen wollen 100prozentige Passgenauigkeit
Immer mehr hochqualifizierte Arbeitslose auf der einen, Fachkräftemangel auf der anderen Seite – ein Paradox, an dem die Unternehmen zum Teil Mitschuld seien, sagt Pascal Scheiwiller vom Personalvermittler Von Rundstedt. Firmen seien schlicht zu starr bei der Rekrutierung: «Wenn ich die Auswahl habe zwischen jemandem, der 90 Prozent passt und jemandem, der 100 Prozent passt, wähle ich natürlich den, der 100 Prozent passt.» Wer auf den globalen Arbeitsmarkt ausweiche, könne sich eben eine solche Null-Toleranz-Politik leisten.
Scheiwiller fordert die Unternehmen auf, flexibler zu rekrutieren, auf Mitarbeiter zu setzen, die zu 90 Prozent passen und diese weiterzubilden: «Das würde dazu führen, dass man viele von den heute betroffenen qualifizierten Arbeitslosen wieder integrieren könnte.»
Kanton Solothurn top in der Beratung seiner Stellensuchenden
Die RAV-Verantwortlichen wollen auch die Beratung ihrer Stellensuchenden noch intensivieren. Der Kanton Solothurn gilt diesbezüglich schon jetzt schweizweit als vorbildlich. «Wenn man gute Beratungsgespräche führt, ist der Betroffene kürzere Zeit arbeitslos», sagt AWA-Chef Jonas Motschi. Das Team um Amtsleiter Motschi hat deshalb ein Beratungsmodell entwickelt, das eine einheitliche Beratung in allen RAVs im Kanton sicherstellt.
Doch auch in der Kommunikation mit den Unternehmen wolle man noch besser werden: «Die Unternehmen müssen selber entscheiden, wen sie anstellen. Aber wir könnten noch mehr zusammen arbeiten», so Motschi selbstkritisch.
Wo Fachkräfte fehlen und wo nicht
Berufe mit dem höchsten Fachkräftemangel | |
1 | Ärzte |
2 | Ingenieure |
3 | Produktionsleiter von Waren im Bau |
4 | Software-Entwickler und -analytiker |
5 | Sonstige akademische Gesundheitsberufe |
6 | Elektro-Installateure und -mechaniker |
7 | Elektro-Ingenieure |
8 | Juristen |
9 | Krankenpflege-Fachkräfte |
10 | Ausbau-Fachkräfte |
Berufe mit dem tiefsten Fachkräftemangel | |
1 | Schalterbedienstete |
2 | Kassierer |
3 | Burokräfte im Bereich Transport |
4 | Kraftfahrzeug-Fahrer |
5 | Berufe der Bekleidungsherstellung |
6 | Bediener Nahrungsmittelhersteller-Maschinen |
7 | Allgemeine Bürokräfte |
8 | Bürokräfte Finanz- und Rechnungswesen |
9 | Sekretariatskräfte |
10 | Hauswarte |
Quelle: AWA Zürich |