Ende Mai wurde das Atomkraftwerk Gösgen für eine geplante Wartung vom Netz genommen. Bisher konnte das AKW aber nicht wieder hochgefahren werden. Nun bleibt es noch länger abgeschaltet – voraussichtlich kann es seinen Betrieb erst in einem halben Jahr wieder aufnehmen. SRF-Wirtschaftsredaktor Matthias Heim über die Hintergründe und die Auswirkungen des Stillstands.
Warum fällt das AKW Gösgen viel länger aus als geplant?
Bei der jährlichen Revision wurde festgestellt, dass gewisse Teile der Anlage technisch nachgerüstet werden müssen – und zwar ausserplanmässig. Es handelt sich dabei um Arbeiten ausserhalb des Reaktors. Auch diese müssen allerdings zuerst von der Aufsichtsbehörde genehmigt werden, erst dann können die Arbeiten ausgeführt werden. Das alles dauert wohl bis Februar 2026. Der Prozess kann aber auch weniger oder mehr Zeit in Anspruch nehmen.
Ist es aussergewöhnlich, dass ein AKW so lange vom Netz genommen werden muss?
Grundsätzlich hat das AKW in den vergangenen Jahren zuverlässig Strom produziert. Jetzt kommt es aber doch zu einem ausserordentlich langen Stillstand. Normalerweise produziert das AKW im Jahr 8 Terrawattstunden Strom. Das sind rund zwölf Prozent der jährlichen Stromproduktion der Schweiz. Das AKW Gösgen leistet hier also einen erheblichen Beitrag.
Aufgrund des mehrmonatigen Stillstands sinkt die jährliche Stromproduktion des AKW jedoch auf nur noch 2 Terrawattstunden. Es fällt also eine beträchtliche Menge an Strom weg. Daran erkennt man, wie einschneidend dieser Schritt ist. Dass AKW teils auch länger vom Netz gehen, kommt aber immer wieder vor. In Frankreich beispielsweise stand vor zwei Jahren etwa die Hälfte der Kernkraftwerke ausserplanmässig still.
Was bedeutet der Ausfall für die Stromsicherheit der Schweiz?
Die Stromversorgung ist aufgrund des Ausfalls grundsätzlich nicht gefährdet. Allerdings haben die Abnehmer des Stroms aus Gösgen – das sind vor allem die beiden grossen Energiekonzerne Alpiq und Axpo – diesen schon längst eingeplant und verkauft. Nun müssen sie den wegfallenden Strom anderweitig beschaffen.
Beispielsweise können sie mit den eigenen Wasserkraftwerken in den Bergen mehr Strom produzieren. Eine andere Option wäre, den fehlenden Strom in Europa einzukaufen. Hier gilt es aber zu beachten, dass dieser Strom in den Wintermonaten in der Regel teurer ist als im Sommer. Deswegen rechnen die beiden Energiekonzerne durch die zusätzliche Strombeschaffung und die Arbeiten am AKW Gösgen mit Kosten von rund 500 Millionen Franken. Das ist selbst für Axpo und Alpiq sehr viel Geld.
Hat der Ausfall einen Einfluss auf die politische Debatte um AKW?
Der Bundesrat hat sich vergangene Woche dafür ausgesprochen, dass der Bau von neuen AKW wieder erlaubt werden soll. Das letzte Wort in der Frage wird das Stimmvolk haben. In der Debatte werden beide Seiten diesen Stillstand für sich ausschlachten wollen. Die Befürworter dürften darauf verweisen, dass es jetzt erst recht neue Kernkraftwerke brauche. Schliesslich würden die bestehenden immer älter, weswegen sich solche Ausfälle tendenziell häufen dürften.
Die Gegnerinnen werden damit argumentieren, dass die Kernkraft eben nicht so zuverlässig sei wie von den Befürwortern behauptet. Dass durch den Ausfall eine substanzielle Menge an Strom wegfällt, werden sie in der politischen Debatte um das Neubauverbot von AKW ebenfalls in die Waagschale werfen.