Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat den Leitzins erhöht. Das hat nicht nur Folgen für die Schweizer Banken, sondern auch für den Immobilienmarkt. Vontobel-Chef Zeno Staub und Julius-Bär-Chef Philipp Rickenbacher sagen im «Eco Talk», wo es jetzt Preiskorrekturen geben könnte.
SRF News: Der Immobilienmarkt hat in den letzten Jahren einen wahnsinnigen Boom erlebt, auch dank der tiefen Zinsen. Jetzt haben sich die Hypothekarzinsen teilweise verdoppelt. Könnte es einen Crash geben?
Philipp Rickenbacher (CEO Julius Bär): Das ist sehr segmentabhängig. Bei starken Renditeimmobilien, bei denen man für eine kleine Rendite eine hohe Verschuldung in Kauf genommen hat, wird es möglicherweise zu Verwerfungen kommen. Vielleicht auch im überbezahlten Luxussegment, wobei die Meinungen hier schon auseinandergehen. Wir haben in der Schweiz aber grundsätzlich immer noch eine Knappheit an Immobilien und Boden. Das wird sich so schnell nicht ändern. Darum glaube ich nicht, dass es über alle Segmente hinweg sofort zu grossen Verschiebungen kommen wird.
Bei der Gewährung von Hypotheken rechnen Banken mit einem kalkulatorischen Zinssatz von 5 Prozent. Ein Anstieg der Hypothekarzinsen, wie wir ihn derzeit erleben, sollte also noch keine Problem bereiten. Ist es nicht fraglich, ob überhaupt Immobilienbesitzer in Gefahr kommen?
Ich glaube, dass wir im breiten Spektrum des selbstbewohnten Wohneigentums weit entfernt von einer Katastrophe sind.
Zeno Staub (CEO Vontobel): Bei selbstbewohntem Wohneigentum ist die Vergabepraxis der Banken, soweit ich das beurteilen kann, seriös, vernünftig und vorsichtig. Ausserdem ist es eines der wertvollsten Güter, es besteht eine starke emotionale Bindung. Ich denke auch, dass die Kalkulationen von einzelnen Investoren jetzt vielleicht angepasst werden müssen. Dennoch glaube ich, dass wir im breiten Spektrum des selbstbewohnten Wohneigentums weit entfernt von einer Katastrophe sind.
Aber dieser Boom, diese Bonanza auf dem Immobilienmarkt ist mit den steigenden Zinsen jetzt vorbei, richtig?
Rickenbacher: Es kühlt sich normalerweise etwas ab, ja.
Auch an den Aktienmärkten gibt es Verwerfungen. Der Swiss Market Index SMI hat seit Anfang Jahr fast 20 Prozent an Wert verloren, beim Technologie-Index Nasdaq sind es rund 30 Prozent. Was ist da los?
Staub: Es gibt verschiedene Faktoren. Im Technologiesektor ist die Illusion zu Ende gegangen, dass eine Firma, bei der es keinen Ausblick auf Gewinn gibt, trotzdem für immer sehr viel wert sein kann. Durch das Ansteigen der Zinsen sind zukünftige Gewinne heute ausserdem weniger wert. Drittens setzt sich der Markt mit der Frage auseinander: Rezession, Ja oder Nein? Und wenn Ja, wie gross?
Was sagen Sie jetzt Ihren Kundinnen und Kunden?
Wichtig ist: Man darf nie eine Strategie wechseln während einer Krise.
Rickenbacher: Bei unseren Kunden sehe ich keine Panik. Ich sehe viel Interesse an den Märkten, vor allem an der Frage, wo sie sich gegen Ende Jahr hinbewegen werden. Insbesondere auch an der Frage, ob wir eine Rezession erleben und wie sich die Welt international entwickelt: Was passiert mit den asiatischen Märkten, wann ist dort die Pandemie vorbei? Wichtig ist: Man darf nie eine Strategie wechseln während einer Krise.
Das Gespräch führte Reto Lipp.