Riad Salameh ist seit 30 Jahren Chef der libanesischen Zentralbank. Das Land steht heute vor dem wirtschaftlichen Bankrott. Er gehört zum Kern der libanesischen Elite. Kritiker werfen dieser immer wieder vor, korrupt zu sein. Gegen Riad Salameh laufen in mehreren europäischen Ländern Ermittlungen. Insgesamt wurden bis heute Immobilien und Vermögenswerte in der Höhe von rund 170 Millionen Dollar blockiert.
Auch in der Schweiz läuft ein Strafverfahren gegen ihn wegen Verdachts auf schwere Geldwäscherei im Zusammenhang mit mutmasslicher Veruntreuung zum Nachteil der libanesischen Zentralbank, wie die Bundesanwaltschaft gegenüber SRF bestätigt.
Gegenüber SRF weist Riad Salameh alle Vorwürfe von sich, sie seien politisch motiviert: «Rechtlich ist man erst schuldig, wenn man verurteilt ist. Ich habe ein reines Gewissen, und was man mir vorwirft, muss zuerst bewiesen werden.» Er sei bereit, in die Schweiz zu reisen, um sich den Fragen zu stellen. «Ich habe der Schweizer Justiz bereits gesagt, dass ich aussagen werde. Ich bin bereit. Ich warte nur auf ihren Anruf.»
Heikle Bankgeschäfte in der Schweiz
Libanesische Ermittler verdächtigen dessen Bruder Raja Salameh, zwischen 2002 und 2016 rund 330 Millionen Dollar veruntreut, über eine Offshore-Gesellschaft auf den britischen Jungfern-Inseln geschleust und über Banken in der Schweiz gewaschen zu haben.
Über 200 Millionen seien dabei über ein Konto der HSBC in Genf auf fünf Banken in den Libanon transferiert worden, auf Konten von Raja Salameh mit dem Vermerk «private Ausgaben». Weitere Gelder seien auf Konten des libanesischen Zentralbankchefs in der Schweiz geflossen.
Riad Salameh bestreitet, dass die Transaktionen seines Bruders ihn etwas angehen: «Er macht seine Geschäfte, ich mache meine. Er ist nicht mein Partner als Präsident und ich bin nicht Partner bei seinen Geschäften», sagt er. Der Bruder von Riad Salameh ist Mitte März im Libanon festgenommen worden.
Der Libanon kollabiert – die Schweiz ermittelt
Zwei Briefkastenfirmen in Genf sind aktenkundig
Gemäss Rechtshilfegesuch an die libanesische Justiz, das SRF vorliegt, ist Riad Salameh wirtschaftlich berechtigt an zwei Genfer Briefkastenfirmen, bei denen Treuhänder als Eigentümer auftreten. Eine dieser Firmen hat mehr als 10 Millionen von Salameh in Immobilien angelegt.
Die Banken würden für niemanden ein Konto eröffnen, wenn etwas illegal wäre.
Gemäss Bundesanwaltschaft kam das Geld über ein Offshore-Konto, das Riad Salameh gehört. Im Interview mit SRF sagt Riad Salameh: «Ich habe meine Liegenschaften nie besucht, für die Anlage habe ich professionelle Berater.» Auch der Eindruck, dass er mit diesen komplexen Finanzstrukturen etwas verbergen wolle, weist Riad Salameh von sich: «Die Banken würden für niemanden ein Konto eröffnen, wenn etwas illegal wäre», sagt er.
Von Julius Bär bis UBS – viele Banken sind involviert
Schweizer Ermittler überprüfen Salameh-Konten auf sechs verschieden Banken. Gemäss Rechtshilfegesuch eröffnete die libanesische Zentralbank schon in den Nullerjahren ein Konto bei Julius Bär, bei denen Riad Salameh der einzige Zeichnungsberechtigte ist. Konten eröffnet wurden auch bei HSBC, UBS, der Credit Suisse und der beiden Privatbanken Pictet und EFG.
Alle diese Banken wurden von SRF angefragt. Sie würden keine Kundenbeziehungen kommentieren, sagen sie, betonen aber, sich stets gesetzeskonform verhalten zu haben.
Für die Geldwäscherei- und Compliance-Spezialistin Monika Roth haben die Banken leichtfertig gehandelt. Der Fall Salameh sei kein Ruhmesblatt für den Schweizer Finanzplatz: «Der libanesische Zentralbankchef ist eine politisch exponierte Person, die ohne weiteres erkennbar ist. Ohne weiteres erkennbar ist auch, dass der Libanon keine gute Regierung hat und dort Vetterli-Wirtschaft gang und gäbe ist», sagt sie, Banken hätten das wissen müssen. Und: «Es sind Fehler begangen worden und die sind begangen worden, weil das Geld attraktiv ist.»
Es sind Fehler begangen worden und die sind begangen worden, weil das Geld attraktiv ist.
Drei Viertel der Bevölkerung leben in Armut
Riad Salameh schätzt sein Vermögen auf 150 Millionen Franken, alles sei legal erworben, sagt er: «Ich hatte 23 Millionen bereits 1993, bevor ich die Stelle als Präsident antrat. Und 23 Millionen wachsen über 30 Jahre.» Im Kontrast dazu wird die Bevölkerung im Libanon immer ärmer.
Die Lebenssituation verschlechtert sich zusehends. Immer wieder kommt es zu Stromunterbrüchen, die Preise für Benzin oder ganz normale Lebensmittel steigen im rasanten Tempo. So umschreibt die Journalistin Alia Ibrahim in der Sendung «Rundschau» das Leben im Libanon, ein normaler Lohn reiche nicht mehr zum Leben. Sandra Klat ist Chefin von Bassma, einer Hilfsorganisation, die Bedürftigen unter die Arme greift. Sie sagt: «Die libanesische Zentralbank ist verantwortlich dafür, dass wir heute so leiden.»
Kapitalflucht in die Schweiz
Dreiste Korruption, Staatsschulden, welche über die Jahre durch immer neue Schulden gedeckt wurden, liessen eine gewaltige Finanzblase platzen, welche die Mittelschicht praktisch ausradierte. Das Geld auf den libanesischen Banken wurde faktisch wertlos.
Drei Viertel der Menschen sind heute arm. Die wenigen Superreichen, die von der Krise profitieren, verschoben Milliarden ins Ausland, auch in die Schweiz. Nach neusten Zahlen der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich liegen fast 7 Milliarden US-Dollar aus dem Libanon auf Bankkonten in der Schweiz – ein Rekord.